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Bewertungsbericht 2003 des Bundesinstituts für Risikobewertung zu den Ergebnissen

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat die Ergebnisse des Nationalen Rückstandskontrollplanes 2003 mit Unterstützung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bewertet.


Die Bewertung lautet wie folgt:


1. Allgemeine Bewertung
Der Nationale Rückstandskontrollplan (NRKP) ist ein Programm zur Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft in verschiedenen Produktionsstufen auf Rückstände von unerwünschten Stoffen. Ziel des NRKP ist es, die illegale Anwendung verbotener Substanzen bzw. die missbräuchliche Anwendung von beschränkt zugelassenen Substanzen aufzudecken, die Einhaltung der festgelegten Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände zu überprüfen, sowie die Ursachen der Rückstandsbelastungen aufzuklären.

Verglichen mit dem Vorjahr 2002, in dem in ca. 90 Fällen Rückstände und Kontaminanten gefunden wurden, ist für das Jahr 2003 nahezu eine Verdopplung der Anzahl der positiven Rückstandsproben festzustellen. Dabei sind von den nun vorliegenden 169 Fällen fast 50% auf positive Rückstandsproben mit Lasalocid und Lasalocid-Natrium i n Eiern und Futtermitteln zurückzuführen.

Aufgrund der zielorientierten Probenahmen ist der NRKP weder für die Erhebung statistisch repräsentativer Daten über Rückstandsbelastungen einzelner Lebensmittel bestimmt noch gibt er einen Einblick über die tatsächliche momentane Belastung der Bevölkerung mit Rückständen. Entsprechend kann aus den vorliegenden Daten nur eine abschätzende Bewertung darüber erfolgen, ob aus dem Verzehr eines belasteten Lebensmittels eine akute Gefährdung für die menschliche Gesundheit resultieren kann. Eine Bewertung i.S. einer Benennung der konkreten oder langfristigen Risiken für die menschliche Gesundheit bei wiederholtem Verzehr belasteter Lebensmittel ist auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht möglich.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass bei einmaligem Verzehr der Lebensmittel mit positiven Rückstandsbefunden nicht mit akuten gesundheitlichen Risiken zu rechnen ist. Lediglich bei den positiven Rückstandsbefunden für Chloramphenicol kann eine wenn auch geringe Gefährdung für den Menschen und für Doramectin eine akute gesundheitliche Gefährdung nicht ganz ausgeschlossen werden (vgl. Tab. 1). Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bei den antibakteriell, antiparasitär oder antiphlogistisch wirksamen Stoffen nicht ganz auszuschließen ist, dass selbst bei niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Resistenzbildung und/oder einer Sensibilisierung besteht.

2. Bewertung der einzelnen Stoffe
Stoffgruppe A: Stoffe mit anaboler Wirkung und nicht zugelassene Stoffe:

  • Mabuterol, eine dem bekannten Clenbuterol ähnliche, zur Klasse der ß-Sympathomimetika gehörende Substanz, wurde in Truthahnleber nachgewiesen. Aufgrund der sehr geringen Kontamination der Truthahnleber mit Mabuterol kann wegen des großen Sicherheitsabstandes zu toxischen Dosen eine akute Gefährdung der menschlichen Gesundheit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
  • Chloramphenicol wurde in den Matrices Muskulatur, Urin und Milch bei Masthähnchen, Mastschweinen, Mastrind und Kuh nachgewiesen. Diese Substanz hat ein besonderes Toxizitätsprofil. Deshalb kann trotz der vermuteten geringen Exposition eine wenn auch geringe Gefährdung für den Menschen nicht ganz ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Resistenzbildung und einer Sensibilisierung provoziert werden kann.
  • Die positiven Rückstandsproben mit Semicarbazid im Muskelfleisch von Mastschweinen sind wahrscheinlich auf die unerlaubte Verwendung von Nitrofuran-Antibiotika zurückzuführen. Mit akuten gesundheitlichen Risiken ist bei dem zu unterstellenden einmaligen Verzehr derart belasteter Lebensmittel nicht zu rechnen.
  • Für das ebenfalls in der Muskulatur von Schweinen nachgewiesene Metronidazol ist aufgrund des bekannten Toxizitätsprofils des Stoffes und der geringen, im µg/kg-Bereich liegenden Exposition eine akute gesundheitliche Gefährdung für den Menschen weitgehend auszuschließen. Allerdings kann auch bei diesen niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholtem Kontakt das Risiko einer Resistenzbildung und einer Sensibilisierung provoziert werden.

Stoffgruppe B: Tierarzneimittel und Kontaminanten
B 1: antibakteriell wirksame Stoffe ohne Hemmstoffe

Bei Kuh, Mastschwein, Mastrind und Mastkalb wurden in der Niere, aber auch in der Muskulatur Höchstmengen-Überschreitungen für die zur Gruppe der Aminoglycoside gehörenden Stoffe Dihydrostreptomycin, Gentamycin und Neomycin festgestellt. Das Toxizitätsprofil der Stoffe ist weitgehend bekannt. Mit Blick auf die gefundenen Rückstandsmengen, die geringe Resorption nach oraler Gabe und der damit verbundenen äußerst geringen, im µg/kg-Bereich liegenden Exposition ist eine akute gesundheitliche Gefährdung für den Menschen weitgehend auszuschließen. Allerdings kann auch hier bei diesen niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Resistenzbildung und einer Sensibilisierung provoziert werden.

  • Eine ähnliche Einschätzung ergibt sich für Benzylpenicillin, welches in erhöhten Konzentrationen in Niere und Muskulatur von Kuh, Mastrind bzw. Mastschwein nachweisbar war.
  • Bei der Bewertung der in der Kuh-Niere nachgewiesenen erhöhten Mengen für das zur Gruppe der Chinolone gehörende Danofloxacin ist zu berücksichtigen, dass zur Toxizität keine Humandaten vorliegen. Trotzdem wird aufgrund des aus tierexperimentellen Erkenntnissen geschätzten großen Sicherheitsabstandes für Danofloxacin eine akute gesundheitliche Gefährdung für den Menschen für wenig wahrscheinlich gehalten.
  • In Muskulatur und Niere von Mastschweinen sowie im Bienenhonig wurden erhöhte Konzentrationen an den Sulfonamiden Sulfadimidin (Sulfamethazin) und Sulfathiazol festgestellt. Unter Berücksichtigung der relativ großen therapeutischen Breite dieser Substanzen, wie sie aus der Anwendung beim Menschen bekannt ist und den gefundenen Rückstandsmengen ist nach Verzehr dieser Lebensmittel keine akute Gefährdung für den Menschen zu erwarten. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass selbst bei diesen niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Resistenzbildung und einer Sensibilisierung provoziert werden kann.
  • In Niere und Muskulatur von Mastkalb, Mastschwein und Mastrind gab es einige positive Rückstandsbefunde für die Tetracycline (Oxytetracyclin und Tetracyclin). Obwohl diese Antibiotika im Darm nur mäßig resorbiert werden, wird aufgrund der in einigen Proben gemessenen relativ hohen Rückstandsmengen eine antimikrobiell Wirkung nach Verzehr solcher Art belasteter Lebensmittel nicht ausgeschlossen. Eine akute Gefährdung für den Menschen ergibt sich daraus nicht, jedoch ist zu bedenken, dass vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Resistenzbildung und einer Sensibilisierung provoziert werden kann.

B 2:sonstige Tierarzneimittel

  • Da die in der Leber von Mastrind und Mastschwein gemessenen Konzentrationen des Breitspektrumantiparasitikums Doramectin deutlich den von der WHO festgelegten NOEL von 0,1 mg/kg/KG/d übertreffen, kann eine akute gesundheitliche Gefährdung (potentielle Neurotoxizität) nicht ausgeschlossen werden. Auch in diesem Fall ist insbesondere bei wiederholter Exposition das Risiko einer Sensibilisierung zu berücksichtigen.
  • In Eiern von Legehennen sowie im Futtermittel für Legehennen und für anderes Geflügel wurden Rückstände von Lasalocid bzw. Lasalocid-Natrium gefunden, einem gegen Kokzidien gerichteten Wirkstoff, der unter bestimmten Voraussetzungen, jedoch nicht bei Legehennen, als Futtermittelzusatzstoff eingesetzt werden darf. Erst kürzlich wurde vom Scientific Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed ein "acceptable daily intake" (ADI) für Lasalocid von 0,005 mg/kg/KG/d (entsprechend 300 µg je Person von 60 kg Körpergewicht/Tag) vorgeschlagen. Zu Lasalocid in Eiern von Legehennen liegen die Ergebnisse von 47 Proben vor; 42 davon liegen unter einem Gehalt von 63 µg/kg, die nach Kennedy et al. (1998; Food Additives and Contaminants 15: 535-541) etwa 1 mg Lasalocid/kg Futter entsprechen (eine etwa 1%-ige Verschleppung). Der höchste Messwert liegt bei 1328 µg/kg. Bei einem angenommenen Verzehr von 150 g eines so belasteten Eies würden mit 200 µg etwa 65% des ADI aufgenommen. Da die übrigen Messwerte deutlich unter diesem Maximalwert liegen, kann generell keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers durch den Verzehr der belasteten Hühnereier abgeleitet werden. Zu Lasalocid in Futtermitteln für Legehennen liegen Ergebnisse von 33 positiven Proben vor. Der nachgewiesene höchste Wert von 269 µg/kg Futter liegt weit unter dem Gehalt im Futter von 1000 µg/kg (Bereich von Verschleppungen), bei dem Kennedy (1998) 63 µg/kg Ei gefunden hat. Bei Verzehr von 150 g Ei mit einer Belastung von 63 µg/kg würde ein 60 kg schwerer Mensch den ADI zu etwa 3% ausschöpfen. Dem BfR sind keine Carry-Over-Raten für andere Geflügelarten (Bereich von Verschleppungen) bekannt. Hinweise, dass der Verzehr von Eiern dieser Tierarten eine gesundheitliche Gefahr birgt, liegen nicht vor. Insgesamt sind durch den Verzehr kontaminierter Hühnereier sowie von Geflügel, dass mit Lasalocid belastetes Futter gefressen hat, keine schwerwiegenden Gesundheitsgefahren zu erwarten.
  • In einer Eiprobe von Legehennen wurde auch Nicarbacin, ein anderer, ebenfalls zu den Kokzidiostatika gehörender Wirkstoff, gefunden. Die Kenntnisse um Nicarbacin sind noch lückenhaft; u.a. fehlen Studien zur Sicherheitspharmakologie noch gänzlich. Trotzdem erscheint ein relevantes genotoxisches Potential durch Rückstände in Lebensmitteln nicht wahrscheinlich, wie auch in einer Langzeitstudie bei Ratten gezeigt werden konnte. Ferner wird aufgrund der gemessenen geringen Belastung des Ei's mit Nicarbacin eine akute Gefährdung für den Menschen ausgeschlossen. Allerdings kann auch bei diesen niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Sensibilisierung nicht ausgeschlossen werden.
  • Das aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antiphlogistika stammende Phenylbutazon wurde im Plasma und in der Milch der Kuh nachgewiesen. Durch den Verzehr von Lebensmitteln mit den gemessenen Rückständen ist kein akutes Gefährdungspotential für den Menschen gegeben. Allerdings kann selbst bei diesen niedrigen Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Exposition das Risiko einer Sensibilisierung nicht ausgeschlossen werden.

B 3: Andere Stoffe und Umweltkontaminanten

  • Insgesamt wurden bei 2 Eierproben von Legehennen und 8 Proben Wildschweinfett die Höchstmengen für die ubiquitären chlorierten Kohlenwasserstoffverbindungen DDT, DDD, DDE, alpha-HCH, beta-HCH und HCB überschritten. Nach Abzug einer analytischen Streubreite von 60% verbleiben folgende Höchstmengen-Überschreitungen: (1) Summe von DDT, DDD, DDE (berechnet als DDT): Die Höchstmenge von 0,5 mg/kg in Eiern wurde bei einer Probe (0,985 mg/kg) überschritten. Im Falle von Fleisch (Fett) von Wildschweinen trat ebenfalls bei einer Probe (2,16 mg/kg) eine Überschreitung der Höchstmengen von 1 mg/kg auf.(2) Alpha-HCH, beta-HCH, HCB: Die Höchstmengen von 0,2 mg/kg (alpha-HCH, HCB) bzw. 0,1 mg/kg (beta-HCH) für Fleisch wurden bei jeweils 1 Probe Wildschweinfett überschritten. Die Rückstandswerte betrugen für alpha-HCH, HCB bzw. beta-HCH 0,43; 0,372 bzw. 0,17 mg/kg. Im Falle von Endosulfan und Bromocyclen ist unter Berücksichtigung der analytischen Streubreite die geringfügige Überschreitung der Höchstmenge von 0,01 mg/kg (Endosulfan Forelle 0,012 mg/kg; Bromocyclen Wildschweinfett 0,011 mg/kg) nicht relevant. Weiterhin kann festgestellt werden, dass von den in den Proben gefundenen Rückständen kein Kurzzeitrisiko für die Verbraucher ausgeht. Wegen des äußerst geringen Anteils von Wildschweinfleisch an der lebenslangen Nahrungsaufnahme ist von den in den Wildschweinfettproben nachgewiesenen Rückstände auch nicht von einer chronischen Verbrauchergefährdung auszugehen.
  • Zu den im Fett von Mastrindern und Wildschwein und Eiern von Legehennen festgestellten Belastungen mit PCB (PCB 180, 138, 153) ist festzustellen, dass bei einmaligem Verzehr nicht mit akuten gesundheitlichen Risiken zu rechnen ist.
  • Es wurden 12 positive Rückstandsbefunde für Cadmium und 7 für Blei festgestellt. Cadmium kann sich im menschlichen Körper ansammeln und zu Nierenversagen, Skelettschäden und Einschränkungen der Reproduktionsfunktion führen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Cadmium beim Menschen karzinogen wirkt. Auch die Resorption von Ble i kann ein ernstes Risiko für die Gesundheit darstellen. Blei kann bei Kindern die kognitive Entwicklung verzögern, sowie die intellektuellen Leistungen beeinträchtigen und bei Erwachsenen zu Bluthochdruck und Herz-Kreislauf- Erkrankungen führen. Hinsichtlich der speziell in der Niere von Kühen gemessenen Cadmiummengen und der in der Kuhmilch und im Mastschweinfleisch nachgewiesenen Bleikonzentrationen ist kein akutes Gesundheitsrisiko anzunehmen.
  • Aflatoxine sind Mykotoxine, die von bestimmten Schimmelpilzen produziert werden. Sie sind genotoxische Karzinogene, die in einer Vielzahl von Lebensmitteln vorkommen können. Aflatoxin M1 ist ein Stoffwechselprodukt des Aflatoxins B1 und kommt in Milch und Milcherzeugnissen von Tieren vor, die kontaminierte Futtermittel aufgenommen haben. Auch wenn Aflatoxin M1 als ein weniger gefährliches genotoxisches Karzinogen als Aflatoxin B1 angesehen wird, ist es erforderlich, sein Vorkommen so weit wie möglich auszuschließen. Durch den Verzehr der mit Aflatoxin M1 kontaminierten Milch, die in diesem Fall den Grenzwert entsprechend der Schadstoff-Höchstmengenverordnung geringfügig überschreitet, ist mit keinem akuten gesundheitlichen Risiko zu rechnen.
  • In der Muskulatur von Fischen wurden in einer Probe Rückstände von Malachitgrün gemessen. Aufgrund der äußerst geringen Belastung des Forellenfleisches von nur 0,031 mg/kg Malachitgrün wird eine akute Gefährdung für den Menschen weitgehend ausgeschlossen.