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Konzentrationshöchstgrenzen für Fremdstoffe in Pflanzenschutzmitteln

Zusammenfassung

Im Rahmen der Zulassung müssen alle Substanzen, die einem Pflanzenschutzmittel zugesetzt werden, angegeben und benannt werden: Wirkstoffe nebst Verunreinigungen, Beistoffe, Safener und Synergisten. Das bewusste Zusetzen eines Fremdstoffs zu einem Pflanzenschutzmittel ist nicht zulässig. Pflanzenschutzmittel, die Fremdstoffe in Konzentrationen oberhalb von 0,1 % enthalten, werden als nicht verkehrsfähig angesehen.

Einleitung

Pflanzenschutzmittel werden von verschiedenen Stellen in Hinsicht auf ihre Zusammensetzung kontrolliert. So entnehmen die Behörden der Bundesländer im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Verkehrskontrolle regelmäßig Proben im Handel, bei der Kontrolle des Imports oder auch bei der Anwendung, z. B. wenn Schäden aufgetreten sind. Die Untersuchung dieser Proben erfolgt im Labor für Formulierungschemie des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Ziel ist es, die Verkehrsfähigkeit der betreffenden Pflanzenschutzmittel, Pflanzenstärkungsmittel und Zusatzstoffe zu überprüfen. Stellt sich heraus, dass die Produkte nicht verkehrsfähig sind, können die Länder Sanktionen gegen die Inverkehrbringer verhängen. Das BVL kann in diesem Fall Konsequenzen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, für die Genehmigung von Parallelhandelsmitteln bzw. für die Listung von Pflanzenstärkungsmitteln und Zusatzstoffen ziehen.

Aber auch Handelslaboratorien und Laboratorien von Zulassungsinhabern untersuchen Pflanzenschutzmittel auf ihre Zusammensetzung und erstellen Gutachten zur Verkehrsfähigkeit.

Bei diesen Kontrollen werden insbesondere die im Zulassungsverfahren geprüften und mit dem Zulassungsbescheid festgelegten Wirkstoffe und Beistoffe untersucht. Auch die im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung spezifizierten Verunreinigungen gehören zum möglichen Untersuchungsumfang. Es kommt aber auch vor, dass Stoffe nachgewiesen werden, die nicht zu den genannten, von den Antragstellern angegeben Wirkstoffen, Beistoffen oder Verunreinigungen gehören, sogenannte Fremdstoffe. Diese Fremdstoffe sind nicht geprüft und nicht durch die Zulassung bzw. Listung abgedeckt. Aufgrund des technischen Fortschritts sind mittlerweile auch sehr niedrige Mengen an Substanzen analytisch in den verschiedensten Matrizes nachweisbar. Daher ist es wichtig zu definieren, bis zu welcher Konzentration diese Fremdstoffe in Pflanzenschutzmitteln zulässig sind.

Das bewusste Zusetzen eines Fremdstoffs zu einem Pflanzenschutzmittel ist nicht zulässig. Für den Fall, dass es sich um eine Kontamination handelt, enthält der aktuelle Rechtsrahmen jedoch keine explizite Regelung hinsichtlich der zulässigen Konzentration. Das BVL geht davon aus, dass hier die Höchstgrenze für Fremdstoffe bei 0,1 % (bezogen auf das Mittel) anzusetzen ist. Dieser Wert ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber ihn auch in zahlreichen anderen Zusammenhängen zugrunde legt (s. Ausführungen zu den rechtlichen Vorgaben). Dieser Wert wurde im März 2019 in dem EU-Referenzdokument Reference document illustrating best practices on analytical strategies and interpretation of results for the formulation analysis of plant protection products obtained during official market control als Grenzwert eingebunden. Diese Festlegung erfolgte in der EU-Kommissionsarbeitsgruppe „Working Group on Plant Protection Product Formulation Analysis“.

Wenn nicht bekannt ist, ob ein nachgewiesener Fremdstoff auf den Wirkstoff oder das Mittel zurückzuführen ist oder bewusst zugesetzt wurde, geht das BVL davon aus, dass dieser auf eine Kontamination des Mittel zurückzuführen ist. Daher werden vom BVL Pflanzenschutzmittel, die Fremdstoffe in Konzentrationen oberhalb von 0,1 % enthalten, als nicht verkehrsfähig angesehen.

Bei der Beurteilung von Untersuchungsergebnissen ist eine durch die Analytik bedingte Messunsicherheit zu beachten. Vom BVL wird gemäß den Vorgaben aus dem EU-Referenzdokument bei Verunreinigungen und Fremdstoffen generell eine Messunsicherheit von 15 % für homogene Formulierungen und 25 % für heterogene Formulierungen berücksichtigt. Diese wird dem Messwert zugeordnet und bei einer Interpretation des Messergebnisses einbezogen.

Rechtliche Vorgaben

Wirkstoffprüfung

Bei der EU-Wirkstoffprüfung müssen gemäß Teil A, Abschnitt 1.10. des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 alle Bestandteile über 0,1 % angegeben werden. Stoffe, die toxischer oder ökotoxischer sind als der Wirkstoff, gelten als relevante Verunreinigungen. Für diese Stoffe ist eine Angabe auch unter 0,1 % erforderlich. Bei der Wirkstoffgenehmigung werden für manche Wirkstoffe relevante Verunreinigungen definiert und mit Höchstgrenzen verbunden. Diese Höchstgrenzen sind in der Verordnung (EU) Nr. 540/2011 veröffentlicht und sind in der Wirkstoff-Datenbank der Europäischen Kommission abrufbar.

Diese Höchstgrenzen beziehen sich auf den technischen Wirkstoff. Sie müssen jedoch, bezogen auf den Wirkstoffgehalt, in Pflanzenschutzmitteln eingehalten werden.

Zulassungsverfahren

Beim Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels sind alle Bestandteile (Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe), die bewusst zugegeben werden, unabhängig von der Menge anzugeben. Dies ergibt sich aus Teil A, Abschnitt 1.4.1. des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 284/2013.

Beistoffe sind durch einen Handelsnamen charakterisiert und bestehen häufig aus mehreren Komponenten, den Beistoffsubstanzen. Diese müssen angegeben werden, wenn sie in einem Beistoff über 0,1 % enthalten sind. Darüber hinaus sind auch Angaben der Bestandteile unter 0,1 % erforderlich, wenn

  • die Bestandteile eine sehr hohe Toxizität, Ökotoxizität oder Phytotoxizität (z. B. Sulfonylharnstoffe) haben,
  • Höchstgehaltsüberschreitungen nicht ausgeschlossen werden können,
  • der Gehalt des eigentlichen Wirkstoffs in der Formulierung niedrig ist und deswegen auch bei Gehalten < 0,1 % eine signifikante Erhöhung der Wirksamkeit zu erwarten ist. So sind z. B. bei Pflanzenschutzmitteln im Haus- und Kleingartenbereich Wirkstoffgehalte von < 0,1 % nicht ungewöhnlich.

Sonstige gesetzliche Vorgaben

Die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchWnwV) enthält Verbote und Beschränkungen für Pflanzenschutzmittel, die bestimmte Stoffe enthalten. Gemäß § 6 bleiben dabei produktionstechnisch bedingte, geringfügige Verunreinigungen unberücksichtigt, soweit dadurch nicht der Schutz der menschlichen Gesundheit oder die Abwehr von Gefahren, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt, beeinträchtigt wird. Diese Regelung könnte unter Umständen verallgemeinernd so interpretiert werden, dass erst eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt nachgewiesen werden muss, bevor die Verunreinigung eines Pflanzenschutzmittels mit Fremdstoffen beanstandet werden kann. Berücksichtigt man jedoch die Zielsetzung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (Verbot / Beschränkung besonders kritischer Wirkstoffe) so ist § 6 restriktiv zu interpretieren. Gehalte oberhalb von 0,1 % können nicht als geringfügig angesehen werden.

Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 und die Rückstands-Höchstmengenverordnung legen die zulässigen Höchstgehalte insbesondere für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft fest. Diese Vorgaben gelten auch für Fremdstoffe. Bei deren Auftreten in einem Pflanzenschutzmittel muss gewährleistet sein, dass Höchstgehaltüberschreitungen in Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft ausgeschlossen sind.

Weiterhin enthält die Gefahrstoffverordnung zahlreiche Herstellungs- und Verwendungsverbote für Stoffe und Gemische. Diese Vorgaben gelten auch für Pflanzenschutzmittel. Teilweise sind auch Höchstgrenzen angegeben, die in vielen Fällen bei 0,1 % liegen.

Die rechtlichen Vorgaben in Bezug auf Pflanzenschutzmittel legen somit den Schluss nah, dass eine obere Grenze von 0,1 % als zulässiger Gehalt für einen Fremdstoff fachlich vertretbar ist.