Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Was unterscheidet die Freisetzung von GVO und das Inverkehrbringen von GVO?

Unter einer Freisetzung versteht man die örtlich und zeitlich begrenzte Ausbringung eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO) in die Umwelt. Freisetzungen finden auf einer im Genehmigungsbescheid festgelegten Fläche und für einen begrenzten Zeitraum von einem oder mehreren Jahren statt. Sie werden von einem bestimmten Betreiber durchgeführt. Eine Verarbeitung von GVO aus Freisetzungen zu Lebensmitteln- oder Futtermitteln ist nicht gestattet.

Hingegen beinhaltet das Inverkehrbringen eines GVO seine wirtschaftliche Nutzung (Abgabe an Dritte), wobei der landwirtschaftliche Anbau eines in Verkehr gebrachten GVO nicht auf bestimmte Standorte oder Versuchsjahre beschränkt ist. Während Freisetzungen durch die zuständige Behörde des jeweiligen EU-Mitgliedstaats genehmigt werden, werden Entscheidungen zum Inverkehrbringen von GVO in einem EU-weiten Genehmigungsverfahren getroffen und gelten dann in allen EU-Mitgliedstaaten.

Wer ist für die Überwachung einer Freisetzung zuständig? Von wem und wie oft wird ein Freisetzungsversuch kontrolliert?

Die Überwachung eines Freisetzungsversuchs erfolgt durch die zuständige Überwachungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes. Sie überwacht, ob der Betreiber alle Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid einhält. In welcher Weise diese Überwachung durchgeführt wird, entscheidet die Überwachungsbehörde selbst.

Davon zu unterscheiden ist die Kontrolle (= Beobachtung) des Freisetzungsversuchs durch den Betreiber. Diese Beobachtung dient im Wesentlichen dazu, unvorhergesehene Vorkommnisse festzustellen, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Versuchs haben können. Dazu muss der Betreiber die Versuchsfläche während der Freisetzung regelmäßig kontrollieren, wobei sicherheitsrelevante Beobachtungen einschließlich eventueller Störungen des Versuchs zu protokollieren und nötigenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Der Betreiber muss die Überwachungsbehörde und das BVL über solche Beobachtungen informieren.

 

Welche Qualifikationen benötigen Personen, die Freisetzungen durchführen? Werden sie speziell geschult?

Für die unmittelbare Planung, Leitung und Beaufsichtigung einer Freisetzung ist der Projektleiter verantwortlich. Er muss Kenntnisse in klassischer und molekularer Genetik, praktische Erfahrung im Umgang mit Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren und Kenntnisse über Sicherheitsmaßnahmen und Arbeitsschutz bei Freisetzungen besitzen. Er ist verantwortlich für die ausreichende Qualifikation und Einweisung von weiteren Beschäftigten. Vor dem Beginn der Freisetzung muss das an der Freisetzung beteiligte Personal vom Projektleiter über die Regelungen des Genehmigungsbescheids informiert werden.

Der Betreiber einer Freisetzung bestellt außerdem einen Beauftragten für die Biologische Sicherheit, der ebenfalls umfangreiche Fachkenntnisse besitzen muss. Er überwacht den Projektleiter bei der Erfüllung seiner Aufgaben und berät den Betreiber.

 

Können Pflanzen aus Freisetzungen in die Lebensmittelkette gelangen, wird die Lebensmittelsicherheit beeinträchtigt?

Gentechnisch veränderte Pflanzen aus Freisetzungen dürfen nicht in Verkehr gebracht werden und somit also auch nicht als Lebensmittel verwendet werden. Das BVL prüft vor der Genehmigung einer Freisetzung, ob die vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen ausreichen um einen unbeabsichtigten Eintrag in die Lebensmittelkette zu vermeiden. Bei Bedarf erteilt das BVL Auflagen, die eine Verbreitung der GVO verhindern. Die Auflagen beinhalten Verfahren zu Umgang, Lagerung und Transport von Saat-, Pflanz- und Erntegut und Maßnahmen zur Kontrolle von Durchwuchs nach Ende der Freisetzung.

 

Können bei Freisetzungen „Superunkräuter“ entstehen?

Die Entstehung von „Superunkräutern“ aus gentechnisch veränderten Pflanzen bei Freisetzungen ist nicht zu befürchten. Die meisten Freisetzungen werden mit gentechnisch veränderten Kulturpflanzen durchgeführt, deren Ansprüche an ihren Lebensraum gut bekannt sind. Durch das Hinzufügen eines oder weniger neuer Gene verändern sich diese Ansprüche nicht so, dass aus der Kulturpflanze ein Superunkraut wird, das selbst in widrigsten Lebensräumen alle anderen Pflanzen verdrängt. Das gilt auch für herbizidresistente gentechnisch veränderte Pflanzen: Trotz der Resistenz gegen einen bestimmten Herbizidwirkstoff lassen sie sich durch alle anderen Herbizidwirkstoffe nach wie vor bekämpfen.

 

Können Gene der gentechnisch veränderten Pflanzen auf andere Lebewesen übertragen werden?

Beim Austausch genetischen Materials zwischen verschiedenen Lebewesen unterscheidet man grundsätzlich zwischen dem horizontalen Gentransfer, der die Weitergabe genetischen Materials außerhalb der sexuellen Fortpflanzungswege und unabhängig von bestehenden Artgrenzen beschreibt, und dem vertikalen Gentransfer (= Kreuzung), der die Übertragung genetischen Materials innerhalb derselben oder zwischen nah verwandten Arten auf sexuellem Wege darstellt.

Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen können durch Pollen auf andere Pflanzen übertragen werden, sofern diese sexuell kompatibel sind. Bei Freisetzungen wird die Möglichkeit eines solchen vertikalen Gentransfers durch die Auflage bestimmter Sicherheitsvorkehrungen (z. B. Mindestabstände zu sexuell kompatiblen Pflanzen) minimiert.

Ein horizontaler Gentransfer von einer Pflanze auf ein Bodenbakterium ist unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich möglich, stellt aber unter natürlichen Bedingungen ein extrem seltenes Ereignis dar. Dennoch bewertet das BVL vor einer Freisetzungsgenehmigung die möglichen Folgen eines solchen horizontalen Gentransfers.

Dafür, dass Gene aus Pflanzen über horizontalen Gentransfer auf Tiere oder den Menschen übertragen, dort etabliert und weitervererbt werden, gibt es keine wissenschaftlich fundierten Belege.

 

Sind Auswirkungen auf das Bodenleben und die Bodenstruktur zu erwarten?

Für gentechnisch veränderte Pflanzen gilt genauso wie für konventionelle Pflanzen, dass die bei der Zersetzung von Pflanzenresten freigesetzten Nukleinsäuren und Proteine oder auch von den Pflanzenwurzeln direkt in den Boden abgegebenen Proteine im Boden zersetzt werden. Sie stellen an sich keine Gefährdung dar.

Im Einzelfall sind je nach Art der gentechnischen Veränderung  durch Freisetzungen Auswirkungen auf den Boden möglich und teilweise sogar erwünscht. Ein Beispiel hierfür ist die Entgiftung schwermetallbelasteter Böden durch gentechnisch veränderte Pflanzen. Sollte eine geplante Freisetzung im Einzelfall aufgrund der Art der gentechnischen Veränderung negative Auswirkungen auf das Bodenleben und die Bodenstruktur erwarten lassen, wird das BVL eine Genehmigung dieser Freisetzung entweder gar nicht oder nur auf einer kleinen Fläche unter strengen Sicherheitsvorkehrungen erteilen.

 

Können sich gentechnisch veränderte Pflanzen aus Freisetzungen ausbreiten?

Die in einer Freisetzungsgenehmigung vorgesehenen Maßnahmen stellen die zeitliche und räumliche Begrenzung der Freisetzung sicher. Dabei wird auch eine mögliche Verschleppung durch Tiere berücksichtigt. Zu solchen Maßnahmen können Einzäunungen, beobachtete Kontrollstreifen um den Freisetzungsversuch und Auflagen zur Durchwuchsbekämpfung zählen.

Können einmal freigesetzte gentechnisch veränderte Pflanzen wieder aus der Umwelt entfernt werden?

Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen können gentechnisch veränderte Pflanzen genauso wie nicht veränderte Pflanzen durch landwirtschaftliche Maßnahmen (mechanische Maßnahmen, Herbidzidanwendung) zerstört werden. Dieses gilt auch für herbizidresistente gentechnisch veränderte Pflanzen, die nur eine Herbizidresistenz gegen einen herbiziden Wirkstoff aufweisen und daher durch Herbizide mit anderen Wirkstoffen abgetötet werden können.

An Standorten mit natürlicher Vegetation unterliegen gentechnisch veränderte Kulturpflanzen  wie Gerste, Weizen oder Raps in der Regel dem Wuchs von Wildpflanzen oder sie sind nicht winterhart wie etwa Mais und Kartoffeln und können daher nicht überdauern.

 

Wie sind Efekte am Erbgut der Pflanze zu beurteilen, die beim Einbringen von Fremdgenen entstehen?

Die Einführung von fremden Genen kann die Ausprägung oder die Regulation pflanzeneigener Gene beeinflussen. Dadurch werden dann pflanzliche Stoffwechselwege beeinflusst, für die die Produkte der pflanzeneigenen Gene benötigt werden. Treten solche Effekte auf, lassen sie sich meist schon als Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes der Pflanzen erkennen. Möglich sind Veränderungen der Gestalt einzelner Pflanzenteile oder generelle Wachstumsstörungen in Form einer verzögerten oder beschleunigten Entwicklung der Pflanzen. In vielen Fällen werden solche Pflanzen von den Antragstellern aussortiert, da sie für die Weiterentwicklung zu landwirtschaftlichen Sorten nicht zu gebrauchen sind. Bemerkt ein Antragsteller Anzeichen an seinen gentechnisch veränderten Pflanzen, die auf solche Effekte hindeuten, ist er verpflichtet seine Beobachtungen zu protokollieren. Sie gehen in die Prüfung des Antrages ein.

Um solche Effekte der Einführung von Fremdgenen einordnen zu können, muss man wissen, dass Inaktivierungen von Genen oder Änderungen der Regulation von Genen und die damit verbundenen Veränderungen der äußeren Gestalt von Pflanzen auch in nicht gentechnisch veränderten Pflanzen als Folge natürlicher Vorgänge wie Mutationen, Umlagerungen (Veränderungen der Reihenfolge) oder Deletionen (Entfernen) von Erbgut vorkommen können und sogar in der Pflanzenzüchtung genutzt werden.

 

Warum werden „Markergene“ verwendet? Wie sind Antibiotika-Resistenzgene zu beurteilen?

Sollen Pflanzen gentechnisch verändert werden, wird in die einzelne Pflanzenzelle meist nicht nur das Zielgen eingebracht, sondern auch ein so genanntes Markergen, das beispielsweise für eine Resistenz der Pflanze gegen ein bestimmtes Antibiotikum sorgt.

Werden die Pflanzenzellen nach der Transformation mit diesem Antibiotikum behandelt, bleiben nur solche erhalten, die gegen das Antibiotikum widerstandsfähig sind. Diese Pflanzenzellen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig auch das Zielgen in ihre Erbsubstanz aufgenommen. Das Markergen (engl. to mark = markieren) zeigt also eine erfolgreiche gentechnische Veränderung an.

Für Freisetzungen werden nur Pflanzen mit solchen Antibiotikaresistenzgenen zugelassen, die in der Umwelt weit verbreitet sind und für die medizinische Anwendung von Antibiotika bei Mensch und Tier kein Risiko darstellen.

 

Wie ist die Übertragung vektorieller Gensequenzen zu beurteilen?

Vektoren sind DNA-Strukturen, die zur Vermehrung der DNA vor dem Gentransfer oder für den gewünschten Verlauf des Transfers nötig sind. Wird ein Vektor für den Gentransfer verwendet, können neben Ziel- und Markergen auch DNA -Sequenzen des Vektors in das Genom von gentechnisch veränderten Pflanzen übertragen werden. Diese DNA-Abschnitte sind für die Erhaltung beziehungsweise für die Expression der DNA in Bakterien bestimmt und haben in Pflanzen keine Funktion. Sie werden in Pflanzen auch nicht in Proteine umgesetzt, weil die hierzu nötigen Steuerelemente in Pflanzen nicht funktionieren. Schädliche Einwirkungen solcher DNA-Sequenzen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind daher im Rahmen von Freisetzungen nicht zu erwarten.

 

Wie werden die gentechnisch veränderten Pflanzen nach Versuchsende entsorgt?

Alle nicht als Saatgut oder für weitere Untersuchungen benötigten vermehrungsfähigen gentechnisch veränderten Organismen werden entsorgt, indem die Vermehrungsfähigkeit vollständig zerstört wird. Geeignete Methoden sind z.B. thermische Behandlung (Dämpfen, Verbrennen oder Autoklavieren), Zerkleinern (Mahlen, Quetschen oder Häckseln) oder die Fermentation in einer Biogasanlage.

Nicht vermehrungsfähiges oder entsprechend vorbehandeltes gentechnisch verändertes Pflanzenmaterial kann auf den Freisetzungsflächen entsorgt werden, etwa durch flache Einarbeitung in den Boden, oder zum Verrotten auf den Freisetzungsflächen liegen bleiben.

 

Welche Kontrollen erfolgen nach Beendigung eines Freisetzungsversuches?

Nach Beendigung eines Freisetzungsversuchs wird auf den Versuchsflächen eine mindestens einjährige Nachkontrolle durchgeführt. Während der Nachkontrolle werden die Versuchsfläche und ein bestimmter Umkreis um die Freisetzungsfläche während der Vegetationsperiode in regelmäßigen Abständen (üblicherweise monatlich) auf nachwachsende gentechnisch veränderte Pflanzen kontrolliert. Auftretende gentechnisch veränderte Durchwuchspflanzen werden entfernt. Treten gentechnisch veränderte Durchwuchspflanzen auf, so wird die Nachkontrolle um ein Jahr verlängert.

 

Wer haftet für eventuelle Schäden aus Freisetzungen?

Für eventuelle Schäden aus Freisetzungen, die infolge der gentechnisch veränderten Eigenschaften des Organismus verursacht wurden, haftet der Betreiber der Freisetzung. Er ist verpflichtet entstehenden Schaden zu ersetzen.

Bei Nutzungsbeeinträchtigungen durch Freisetzungen - wenn z.B. Erzeugnisse aufgrund einer Übertragung der gentechnisch veränderten Eigenschaften eines Organismus oder sonstigen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen nicht in Verkehr gebracht werden dürfen - haftet ebenfalls der Betreiber der Freisetzung.