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Hintergrundinformationen zum Rotterdamer Übereinkommen (PIC-Verfahren)

In Rotterdam fand am 10. und 11. September 1998 auf Einladung der Niederlande die diplomatische Konferenz zur Annahme und Unterzeichnung der "PIC-Konvention" statt. Zuvor war nach zweijährigen Verhandlungen im März 1998 von 95 Staaten der endgültige Text der „Convention on the Prior Informed Consent Procedure for Certain Hazardous Chemicals and Pesticides in International Trade“ ausgearbeitet worden. Das Rotterdamer Übereinkommen wurde im November 2003 von Armenien als 50. Vertragspartei ratifiziert und trat 90 Tage später am 24. Februar 2004 in Kraft. Das PIC-Verfahren ist damit völkerrechtlich verbindlich geworden. Deutschland (PIC-Gesetz) und die Europäische Gemeinschaft haben das Übereinkommen ratifiziert (Verordnung (EG) Nr. 649/2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien).

Ziel des Übereinkommens

"Prior Informed Consent" (PIC) heißt „Vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung“ und bedeutet, dass am Verfahren teilnehmende Länder über Risiken und Gefahren von bestimmten gefährlichen Chemikalien sowie bestimmten gefährlichen Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln informiert werden. Basierend auf diesen Informationen können diese Länder dann entscheiden, ob sie einem Import, gegebenenfalls nur unter bestimmten Bedingungen, zustimmen oder nicht. Sollte ein Handel stattfinden, so sind bestimmte Anforderungen hinsichtlich Kennzeichnung und Bereitstellung von Informationen über mögliche Gefahren für Gesundheit und Umwelt zu erfüllen.

Insbesondere geht es um den Schutz der Gesundheit von Landwirten, Arbeitern und Konsumenten sowie um den Schutz der Umwelt in Entwicklungsländern. Noch immer werden zahlreiche Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel in Entwicklungsländern eingesetzt, die in Industrieländern verboten sind oder deren Anwendung stark eingeschränkt ist. Das Ziel des PIC-Verfahrens ist, die geteilte Verantwortlichkeit von Export- und Importländern zu fördern. Entscheidet sich eine Vertragspartei gegen einen Import, so darf sie diese Chemikalie weder im Inland produzieren noch von einem anderen Land importieren. Das PIC-Verfahren soll nicht dazu führen, dass Handelshemmnisse aufgebaut werden.

Geregelte Chemikalien

Der Geltungsumfang der Konvention bezieht sich auf verbotene oder streng beschränkte Chemikalien und sehr gefährliche Formulierungen von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Ausgenommen sind Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe, radioaktives Material, Abfälle, Chemiewaffen, pharmazeutische Produkte (einschl. Arzneimittel für Mensch und Tier), als Lebensmittelzusätze verwendete Chemikalien, Lebensmittel sowie Chemikalien in Mengen, die wahrscheinlich nicht die menschliche Gesundheit oder die Umwelt beeinträchtigen, vorausgesetzt, sie werden zu Versuchs- oder Analysezwecken oder von Einzelpersonen zum persönlichen Gebrauch in dafür angemessenen Mengen eingeführt. Vorläufer chemischer Waffen sind nicht ausgenommen.

Um auf die Liste der PIC-Stoffe zu kommen, muss eine Chemikalie oder ein Pflanzenschutz- oder Schädlingsbekämpfungsmittel aus Gesundheits- oder Umweltgründen in je einem Land aus mindestens zwei PIC-Regionen verboten oder in der Anwendung stark beschränkt sein. Weiterhin können sehr gefährliche Pflanzenschutzmittelformulierungen (= Zubereitungen), die unter den Anwendungsbedingungen in Entwicklungs- oder Schwellenländern Probleme verursachen, ins PIC-Verfahren aufgenommen werden.

Die anfängliche Liste der PIC-Chemikalien bestand aus 22 Pflanzenschutzmitteln (davon 5 gefährliche Pflanzenschutzmittelformulierungen) und 5 Industriechemikalien. Diese Stoffe wurden aus dem freiwilligen PIC-Verfahren übernommen. Damit es keine Lücke bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens gab, wurden Übergangsregelungen geschaffen. Mittlerweile sind weitere Pflanzenschutzmittel in das PIC-Verfahren aufgenommen worden (s.u.).

Informationspflichten

Das Übereinkommen sieht einen umfangreichen Katalog an Informationen vor, die mit Hilfe des von UNEP und FAO in Genf und Rom betriebenen PIC-Sekretariats zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden:

  • Eine Vertragspartei hat die anderen Vertragsparteien und das PIC-Sekretariat über erlassene Verbote oder strenge Beschränkungen zu informieren.
  • Das PIC-Sekretariat hat u. a. die Aufgabe, die im Rahmen der Notifizierung mitgeteilten Informationen zusammengefasst an die Vertragsparteien weiterzuleiten. Weiterhin muss das Sekretariat die Vertragsparteien davon unterrichten, wenn eine Chemikalie ins PIC-Verfahren aufgenommen wurde. In halbjährlichen Abständen werden die Vertragsparteien durch das Sekretariat im so genannten PIC-Rundschreiben über die getroffenen Importentscheidungen der anderen Länder informiert.
  • Erfährt ein Entwicklungs- oder Schwellenland Probleme mit einer sehr gefährlichen Pflanzenschutzmittelformulierung, so kann es die Aufnahme dieser Formulierung in das PIC-Verfahren vorschlagen.
  • Wird eine verbotene oder streng beschränkte Chemikalie zum ersten Mal von einer Vertragspartei exportiert, so hat diese die Ausfuhr an die einführende Vertragspartei zu notifizieren. Die Exportnotifizierung ist vor der erstmaligen Ausfuhr durchzuführen und muss vor dem ersten Export eines jeden Kalenderjahres wiederholt werden. Sie ist auch dann zu wiederholen, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens beim Exportland keine Empfangsbestätigung des Einfuhrlandes eingegangen ist.
  • PIC-Chemikalien sowie national verbotene oder streng beschränkte Chemikalien, die exportiert werden, haben bestimmte Kennzeichnungsvorschriften zu erfüllen. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Informationen hinsichtlich Risiken und Gefahren für die Gesundheit und die Umwelt angemessen und verfügbar sind.
  • Die Exportländer müssen die vom PIC-Sekretariat übermittelten Informationen hinsichtlich Verbot oder strenger Beschränkung bestimmter Chemikalien und Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel an ihre Exporteure weiterleiten. Außerdem haben sie dafür zu sorgen, dass die Exporteure die Importentscheidungen der Einfuhrländer beachten.

Organisation

Um die Funktionsfähigkeit des Systems zu gewährleisten, soll jede Vertragspartei eine oder mehrere nationale Behörden (DNAs) bezeichnen, die in ihrem Namen handeln und die erforderlichen Verwaltungsaufgaben übernehmen. Um ihre Aufgaben effektiv durchführen zu können, sollen die Vertragsparteien den DNAs ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen. Das Rotterdamer Übereinkommen sieht vor, dass die Vertragsparteien insbesondere den Bedürfnissen von Entwicklungs- und Schwellenländern Rechnung tragen sowie bei der Förderung technischer Hilfe zur Entwicklung der Infrastruktur und der Kapazitäten im Bereich Chemikalienmanagement zur Umsetzung des Übereinkommens zusammenarbeiten. Länder mit höher entwickelten Chemikalienkontrollprogrammen sollten technische Hilfe leisten, auch in der Form von Ausbildung zur Entwicklung der Infrastruktur und von Kapazitäten, um Chemikalien während ihres gesamten Lebenszyklus sicher zu handhaben. Die Umsetzung des Übereinkommens soll von der Konferenz der Vertragsparteien überwacht und gefördert werden.

Auf der ersten Konferenz der Vertragsparteien (COP1), die vom 20.-24.9.2004 in Genf stattfand, wurde das „Chemical Review Committee“ (CRC) gegründet, das sich aus 31 regierungsbenannten Experten aus dem Chemikalienmanagement zusammensetzt. Beobachter auch aus Nicht-Vertragsparteien, Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen können zugelassen werden. Das CRC hat u. a. die Aufgabe, die Notifizierungen auszuwerten und der Konferenz der Vertragsparteien Vorschläge zu machen, welche Stoffe ins PIC-Verfahren aufgenommen werden sollen.

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