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Antibiotikaresistenzen
bei Lebensmittel liefernden Tieren

Antibiotika sollten der therapeutischen Anwendung vorbehalten sein. Bedürfen Tiere einer Behandlung, so ist, wenn durchführbar, eine Einzeltierbehandlung stets der Behandlung ganzer Tiergruppen vorzuziehen.  

Lebensmittel liefernde Tiere stehen oft im Fokus, wenn Antibiotikaresistenzen thematisiert werden. Dies ist zum einen durch die sehr hohen Mengen an Antibiotika begründet, die in der Vergangenheit in diesem Bereich, unter anderem zur Wachstumsförderung, eingesetzt wurden. Zum anderen besteht neben dem Risiko einer Übertragung von Antibiotikaresistenzen durch direkten Kontakt, dem vor allem Landwirte und Tierärzte ausgesetzt sind, mit der Möglichkeit einer Übertragung entlang der Lebensmittelkette ein weiteres Risiko, in diesem Fall für den Verbraucher.

Gesunde Tiere benötigen keine Therapie. Im Bereich Lebensmittel liefernder Tiere kommt daher der Infektionsprävention eine große Bedeutung zu. Ein nachhaltiges Tiergesundheits- und Hygienemanagement ist Bestandteil der tierärztlichen Bestandsbetreuung. Antibiotika dürfen nicht dazu verwendet werden, betriebliche Mängel, z.B. in der Hygiene oder in den Haltungsbedingungen, auszugleichen.

Das Bild zeigt Rinder Quelle: Jolanta Mayerberg - stock.adobe.com

Ein Teil der Notwendigkeit der Therapie Lebensmittel liefernder Tiere mit Antibiotika ist in unserer heutigen Hochleistungszucht begründet. Die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Krankheiten ist positiv mit der Leistung der Tiere korreliert. Daher ist es erforderlich, die Gewichtung reiner Leistungsmerkmale bei der Definition der Zuchtziele zu reduzieren. Der Robustheit der Tiere gegenüber Krankheiten muss ein höherer Stellenwert beigemessen werden, und in Bezug auf Zuchtsauen und Milchkühe auch der zu erzielenden Nutzungsdauer der Tiere.

In Hinblick auf einen umsichtigen Einsatz sollten Antibiotika allein der therapeutischen Anwendung vorbehalten sein. Für die Therapieentscheidung ist eine angemessene Diagnostik grundlegend. Die Wahl eines Tierarzneimittels, dessen Wirksamkeit anzunehmen ist, ist nicht allein von der Spezies und der Resistenzsituation des Pathogens abhängig. Dies sind entscheidende Faktoren, aber auch die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik des Tierarzneimittels ist zu berücksichtigen. Daten dazu müssen vom Antragsteller im Rahmen von Zulassungsverfahren für die vorgesehenen Indikationen und Zieltierarten vorgelegt werden. Die Pharmakokinetik kann zwischen verschiedenen Applikationsformen, Wirkorten und Tierarten beträchtliche Unterschiede aufweisen.

Einzeltierbehandlungen sind, wenn durchführbar, immer einer Gruppenbehandlung vorzuziehen. Dadurch werden Antibiotika nur an die Tiere verabreicht, die auch tatsächlich einer Behandlung bedürfen. Die Aufnahme der erforderlichen Dosis über den gesamten Behandlungszeitraum durch das Tier ist besser zu kontrollieren und sicherzustellen. Die orale Behandlung einer Tiergruppe mit Antibiotika über das Futter oder das Trinkwasser hat darüber hinaus immer eine Rückstandsbildung im Stall zur Folge, da sich geringe Mengen über Staub und Stallluft verteilen. Soll die orale Behandlung einer Tiergruppe durchgeführt werden, so ist der Leitfaden „Orale Anwendung von Tierarzneimitteln im Nutztierbereich über das Futter oder Wasser“ zu berücksichtigen.

Die Neuerungen zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen durch die TÄHAV

Nachdem für Masttiere mit der Bestimmung der Therapiehäufigkeiten ein Benchmarking-System zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes eingeführt wurde (16. AMG-Novelle), sind mit der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV)“ weitere Maßnahmen in Bezug auf die Anwendung von Antibiotika in Kraft getreten, die unter anderem den Bereich Lebensmittel liefernder Tiere adressieren.

Ziel der Neuerungen der TÄHAV ist die Eindämmung der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen. Erreicht werden soll dies durch die Minimierung der Anzahl antibiotischer Behandlungen auf das therapeutisch notwendige Maß sowie durch einen effektiven und zielgerichteten Antibiotikaeinsatz im Falle einer Therapie. Ein Antibiotikum, welches nicht auf das pathogene Bakterium wirkt, hat keinen therapeutischen Nutzen für das Tier, sondern fördert allein die Entstehung und Verbreitung von Resistenzen. Es müssen daher durch eine angemessene standardisierte Diagnostik, angefangen bei der klinischen Untersuchung des Tieres bzw. einer repräsentativen Anzahl von Tieren einer Tiergruppe, klinische Befunde erhoben sowie Kenntnis über das pathogene Bakterium und seine Resistenzsituation erlangt werden. Eine tierärztliche Diagnose kann nicht allein aufgrund des Befundes einer bakteriologischen Untersuchung gestellt werden, sie ist immer das Resultat der klinischen Befunde und der Befunde der weiterführenden Untersuchungen. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen ist eine bakteriologische Untersuchung zur weiterführenden Diagnostik nicht sinnvoll. Dies ist z.B. bei Panaritiden der Fall.

Um Ihnen den Umgang mit den Änderungen der TÄHAV zu erleichtern, wurden von der Bundestierärztekammer (BTK) die „Anmerkungen zur neuen TÄHAV“ veröffentlicht. Gemäß § 12c TÄHAV besteht eine Antibiogrammpflicht für Rind, Schwein, Huhn und Pute immer dann, wenn ein Antibiotikum angewendet wird, welches für die jeweilige Tierart nicht zugelassen ist, oder es als Wirkstoff ein Cephalosporin der 3. oder 4. Generation oder ein Fluorchinolon enthält.

Abstrichtupfer mit beiliegender Röhre und Nährböden für die bakteriologische Untersuchung Quelle: Gerhard Seybert

Wird die Behandlung einer Tiergruppe der Tierarten Rind, Schwein, Huhn oder Pute durchgeführt, so ist ein Antibiogramm zudem auch dann erforderlich, wenn im Behandlungsverlauf das Antibiotikum gewechselt wird, Kombinationen von Antibiotika bei einer Indikation eingesetzt werden, der Einsatz von Antibiotika mehrmals in einem bestimmten Alters- oder Produktionsabschnitt erfolgt oder die Behandlung länger als 7 Tage andauert. Abweichend von dieser Regelung sind nach § 12c Absatz 2 Antibiogramme nicht zu erstellen, wenn im Rahmen der tierärztlichen Bestandsbetreuung repräsentative Kenntnisse zur Resistenzlage vorliegen, die Probenahme mit der Gefahr einer weiteren Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Tieres verbunden wäre, der Erreger nicht mittels zellfreier künstlicher Medien zu kultivieren oder für die Bestimmung der Empfindlichkeit des Erregers keine geeignete Methode verfügbar ist. Nach § 12d TÄHAV hat die Bestimmung der Empfindlichkeit nach national oder international anerkannten Verfahren zu erfolgen, soweit diese verfügbar sind. An dieser Stelle sind in erster Linie das Clinical and Laboratory Standards Institute (CLSI) und das European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) zu nennen, deren Unterausschüsse CLSI’s Subcommittee on Veterinary Antimicrobial Susceptibility Testing (VAST) bzw. EUCAST Veterinary Subcommittee on Antimicrobial Susceptibility Testing (VetCAST) tiermedizinische klinische Grenzwerte (‚breakpoints‘) in Verbindung mit Standards zur Durchführung der Empfindlichkeitstestung festlegen. Nur wenn die Durchführung entsprechend des jeweiligen Standards erfolgt, ist eine zuverlässige Interpretation der Ergebnisse und die resultierende Einstufung des Erregers als „resistent“ oder „sensibel“ möglich.

Wir haben Tabellen erstellt, die tierartspezifisch klinische Grenzwerte zu antibakteriell wirksamen Substanzen listen, die als Tierarzneimittel in Deutschland zugelassen sind oder als Stellvertretersubstanzen getestet werden. Diese Tabellen werden jährlich von uns aktualisiert und stellen Ihnen Informationen zusammen, für welche Indikationen und Bakterienspezies klinische Grenzwerte vorhanden sind und nach welchem Standard bei der Erstellung des Antibiogrammes verfahren werden muss.

Die Europäische Verordnung über Tierarzneimittel (VO (EU) 2019/6)

Die neue EU-Verordnung über Tierarzneimittel (VO (EU) 2019/6), die ab dem 28.01.2022 gültig sein wird, verfolgt unter anderem das Ziel, die Maßnahmen zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen auf EU-Ebene zu verstärken.

Neben Neuerungen, die alle Tierarten betreffen, wie beispielsweise die Einführung einer Verbrauchsmengenerfassung (Artikel 57) und die Möglichkeit des Vorbehalts bestimmter Wirkstoffe für die Humanmedizin (Artikel 37), wird auch der pro- und metaphylaktische Einsatz von Antibiotika in Tiergruppen eingeschränkt (Artikel 105 und 107). Weitere Informationen erhalten Sie unter dem Punkt „Erwägungsgrund Antibiotikaresistenzen“ unseres Webseitenbereichs zur Europäischen Verordnung über Tierarzneimittel.

Neben der EU-Tierarzneimittelverordnung wurde auch eine neue EU-Verordnung zu Arzneifuttermitteln beschlossen. In einem gemeinsamen Factsheet“ zu beiden Verordnungen, erstellt von der Europäischen Kommission, können Sie sich über die wichtigsten Änderungen informieren.

Die mangelnde Wirksamkeit von Antibiotika

Es kann passieren, dass ein Antibiotikum, z.B. aufgrund von Resistenzen, nicht entsprechend der zugelassenen Indikation wirkt oder nicht in der Dosierung, die vom Zulassungsinhaber angegeben ist. Dies ist als „mangelnde Wirksamkeit“ definiert, welche zu den „unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW)“ zählt. Im Rahmen eines umsichtigen Einsatzes von Antibiotika sollten Sie das Auftreten einer mangelnden Wirksamkeit immer über das Pharmakovigilanzsystem melden. Eine entsprechende Meldung kann direkt an uns, das BVL, erfolgen. Benutzen Sie hierfür bitte den bereitgestellten Meldebogen.

Weiterführende Links

Rechtliche Grundlagen