FAQs für Verbraucherinnen und Verbraucher

An dieser Stelle finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen (Frequently asked questions), die sich speziell an Verbraucherinnen und Verbraucher richten.

Neue Genomische Techniken

Was sind die Neuen Genomischen Techniken?

Unter diesem Begriff werden Techniken der Genomeditierung (Genome Editing) zusammengefasst, die auf der Nutzung von Zinkfinger-Nukleasen, TALEN, CRISPR-Cas9 sowie der Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese (OGM; engl.: ODM) basieren.
Sie werden als neue Techniken bezeichnet, da sie erst nach der Einführung der Richtlinie entwickelt worden sind, die die Anwendung von Gentechnik in der EU reguliert.

Verfahren des Genome Editings können sehr gezielt Veränderungen im Genom des Zielorganismus auslösen. Dafür sind zwei Komponenten nötig: Eine "Eiweißschere" (Nuklease), welche die Erbinformation des Zielorganismus, die DNA, schneidet, und ein „Lotse“, der diese Nuklease an die gewünschte Stelle leitet. Der „Lotse“ selbst kann aus einem Stück DNA (OGM), einer RNA (CRISPR-Cas9) oder einem Eiweiß (Zinkfinger Nuklease, TALEN) bestehen. Dabei wird der „Lotse“ passgenau synthetisch so hergestellt, dass er die gewünschte Stelle im Genom des Zielorganismus „erkennt“. Die Nuklease kann entweder von außen in die Zelle eingebracht werden (CRISPR-Cas9, TALEN, Zinkfinger-Nuklease) oder natürlicherweise in der Zelle vorhanden sein (OGM). Allen Genome Editing-Techniken ist gemein, dass man eine Veränderung des Genoms des Zielorganismus an einer gewünschten Stelle bewirkt, aber keine der eingebrachten Moleküle selbst an dieser Stelle in das Genom eingebaut werden. Die Veränderung wird vielmehr durch die Aktivität der Zelle selbst herbeigeführt, indem die Zelle den durch die Nuklease hervorgerufenen Schnitt eigenständig repariert. Je nach Methode können kleine Abweichungen, nämlich die gewünschten Veränderungen (Mutationen), entstehen, oder es kann spezifisch auch größeres genetisches Material eingefügt werden.

Ist der Einsatz von technischen Methoden und Mutageneseverfahren in der Pflanzenzüchtung eine neue Entwicklung?

Nein, solche Methoden sind schon lange in der herkömmlichen Pflanzenzüchtung im Einsatz. Seit etwa 1930 werden radioaktive Strahlung und erbgutverändernde Chemikalien in der sogenannten Mutationszüchtung eingesetzt, um für die Landwirtschaft nützliche erbliche Veränderungen in Kulturpflanzen zu erzeugen. Weiterhin wird seit Jahrzehnten versucht, natürliche Befruchtungsbarrieren zu überwinden, indem man Gewebekulturtechniken, Pflanzenhormone, Chemikalien, mechanische Verfahren wie z. B. Bestäubung von Blütenknospen, Hitzeschockbehandlungen, Änderungen der atmosphärischen Bedingungen während der Befruchtung oder chirurgische Methoden einsetzt. Neuere Biotechniken werden begleitend genutzt, um herkömmliche Kreuzungen gezielter durchführen zu können.

Welche neuen Züchtungstechniken gibt es?

Neue Züchtungstechniken können klassische GVOs erzeugen oder für das Genome Editing angewendet werden. Cisgenese, Agroinfiltration, Pfropfungen mit gentechnisch veränderter Unterlage oder Pfropfreis, RNA-abhängige DNA-Methylierung und die sogenannte reverse Züchtung werden zur Entwicklung neuer Sorten eingesetzt.
Bei der Cisgenese wird DNA von einem Spenderorganismus auf einen Empfängerorganismus der gleichen Art übertragen. Das kann sinnvoll sein, wenn man z. B. die Wirkung eines pflanzeneigenen Gens verstärken will, indem man eine weitere Kopie dieses Gens einbringt. Unter Agroinfiltration versteht man eine Technik, die einer Bakterienspezies das Eindringen in ein Pflanzengewebe erlaubt. Die Bakterien wurden vorher so verändert, dass sie Träger von Fremd-DNA sind. Agroinfiltration führt je nach Anwendung zur Bildung eines fremden Proteins in einzelnen Pflanzenteilen oder in der gesamten Pflanze. Pfropfen ist eine gärtnerische Veredelungstechnik, bei der ein Edelreis auf eine Unterlage mechanisch aufgesteckt wird. Bei guter Schnittführung der Veredelung wachsen die Teile zusammen. Bei der RNA-abhängigen Methylierung wird durch das Einbringen von RNA-Segmenten die Aktivität von Genen beeinflusst, ohne dass diese in ihrer Basenpaarabfolge verändert werden. Bei der reversen Züchtung schließlich bringt man temporär eine Fremd-DNA in die Pflanze ein. Diese eingebrachte Fremd-DNA wird aber anschließend herausgezüchtet und ist im Endprodukt des Züchtungsganges nicht mehr vorhanden.

Worin unterscheidet sich Genome Editing von herkömmlichen Verfahren der Pflanzenzüchtung?

Natürliche Mutationen und herkömmliche Mutationszüchtung, wie sie bereits seit Mitte der 1930er-Jahre zur Herstellung von Pflanzensorten angewendet wird, beruhen auf der Entstehung von DNA-Doppelstrangbrüchen und deren fehleranfälliger Reparatur. Die Veränderungen entstehen aber zufällig und ungerichtet. Es ist daher nicht genau bekannt, an welcher Stelle die Veränderung erzeugt wurde. Man spricht dabei von fehlender Ortsspezifität. Daher muss nach der Mutagenese die gewünschte Veränderung in einem züchterischen Selektionsprozess aus vielen unerwünschten Veränderungen herausgelesen werden.

Beim Genome Editing dagegen wird ein Gen zielgenau verändert. Welche Veränderung genau erzeugt wird, hängt davon ab, wie die Genome Editing-Werkzeuge eingesetzt werden: Der „Lotsen“-Teil der Genome Editing Werkzeuge sorgt zunächst dafür, dass die Eiweißschere (Nuklease) sich an einer gewünschten Stelle anlagert und dort einen Bruch in den DNA-Strang setzt. Jetzt kommt es darauf an, wie dieser Bruch von der Zelle repariert wird: Ohne Reparaturvorlage wird der Bruch von einem zelleigenen Reparatursystem behoben. Dieses ist jedoch fehleranfällig, so dass an der betroffenen Stelle häufig eine Punktmutation entsteht (Typ I). Wird hingegen ein Stück synthetische DNA in die Zelle eingeschleust, die nahezu identisch zur ursprünglichen Basenpaarabfolge an dieser Stelle ist (lediglich eine oder wenige Abweichungen), nutzt die Zelle diese Vorlage, um den Bruch zu reparieren. Die in der Reparaturvorlage enthaltene Veränderung wird übernommen (Typ II). Schließlich ist es möglich, eine synthetische DNA in die Zelle einzubringen, die zusätzlich ein größeres Stück Fremd-DNA enthält. Die Fremd-DNA wird dann von der Zelle bei der Reparatur des Bruches mit eingebaut (Typ III).

Kann man bei Anwendungen von Genome Editing Änderungen ausschließen, die nicht zielgerichtet ablaufen?

Unbeabsichtigte Änderungen an anderen Orten im Genom können auftreten, wenn der DNA-Bruch nicht nur an der vorgesehenen Stelle, sondern zusätzlich in einem sehr ähnlichen Genombereich erfolgt (sogenannte off-targets). Durch eine sorgfältige Auswahl der Zielsequenz auf der Basis von bioinformatischen Analysen und präziseren Nukleasen können solche Ungenauigkeiten minimiert werden. Ein absoluter Ausschluss von off-target-Mutationen ist derzeit nicht möglich. Verglichen mit herkömmlichen Verfahren der Mutagenese ist die Zahl der unbeabsichtigten Mutationen beim Genome Editing jedoch um Größenordnungen kleiner – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Ort der Veränderung bei der chemischen und radioaktiven Mutagenese überhaupt nicht beeinflussbar ist.

Werden beim Genome Editing Fremdgene eingesetzt?

Nur beim Typ III des Genome Editing repariert die Zelle den DNA-Bruch nach Vorlage einer synthetischen DNA mit einem Fremdgen, die in die Zelle eingebracht wird. Daher enthält die reparierte zelluläre DNA eine Sequenz, die identisch zu diesem Fremdgen sein kann. Bei Genome Editing-Verfahren vom Typ I und II werden solche Sequenzen nicht eingesetzt.

Warum ist Genome Editing so interessant für Züchter?

Durch die mittlerweile sehr effizienten und preiswerten Sequenzierungstechniken sind die Genome zahlreicher Kulturpflanzen bekannt. Durch Kenntnis der Funktionen vieler Gene können diese nun gezielt ausgewählt und verändert werden. So können etwa Gene, die für die Bildung von nicht bekömmlichen Pflanzenstoffen verantwortlich sind, gezielt abgeschaltet werden, ohne langwierig nach Pflanzen suchen zu müssen, in denen dieses Gen aufgrund einer natürlichen Mutation zufällig nicht mehr vorhanden oder nicht mehr funktional ist. Auch pflanzliche Eiweiße, welche von Schadorganismen für ihren Angriff auf die Pflanze genutzt werden, könnte man so verändern, dass der Infektionsweg unterbrochen wird. Damit ist diese Technik ein wichtiges Werkzeug für die Resistenzzüchtung. Umgekehrt könnten Resistenzmechanismen, die während der Züchtung von der Wildpflanze zur Kulturpflanze verlorengegangen sind (z. B. durch ungewollte Mutationen) durch eine erneute Veränderung wiederhergestellt werden. Vor allem die CRISPR-Cas9-Technik ist hier von großem Potential, da die Anwendung im Labor technisch sehr einfach, kosteneffizient und effektiv ist.

Kann man die Anwendung von Genome Editing im Zielorganismus nachweisen?

Das hängt von der Art des Genome Editing ab. Typ I (Punktmutation) und Typ II (nur wenige Veränderungen) des Genome Editings sind nicht von herkömmlichen Verfahren der Mutagenese oder von natürlichen Mutationen zu unterscheiden. Beim Genome Editing vom Typ III (Einbau eines größeren Stück Fremd-DNA) kann hingegen die ins Genom eingefügte Fremd-DNA nachgewiesen werden.