Was unterscheidet die Freisetzung vom Inverkehrbringen von GVO?
Unter einer Freisetzung versteht man die örtlich und zeitlich begrenzte Ausbringung eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO) in die Umwelt. Freisetzungen finden auf einer im Genehmigungsbescheid festgelegten Fläche und nur für einen begrenzten Zeitraum von einem oder mehreren Jahren statt. Sie werden von einem bestimmten Betreiber oder einer bestimmten Betreiberin durchgeführt. Eine Nutzung von GVO aus Freisetzungen zu Lebensmitteln- oder Futtermitteln ist nicht gestattet. Alle produzierten GVO müssen nach der Datenauswertung in der Regel vernichtet werden.
Das Inverkehrbringen eines GVO beinhaltet hingegen seine Abgabe an Dritte und schließt damit auch eine kommerzielle Nutzung entsprechender Produkte ein. Der GVO kann für den Import und zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel beantragt werden. Daneben kann der landwirtschaftliche Anbau beantragt werden, bei dem es keine Begrenzung auf bestimmte Standorte oder Versuchsjahre gibt. Entscheidungen zum Inverkehrbringen von GVO werden in einem EU-weiten Genehmigungsverfahren getroffen und gelten dann in allen EU-Mitgliedstaaten. Genehmigungen sind zunächst auf zehn Jahre begrenzt und müssen anschließend zur Erneuerung beantragt werden.
Wer ist für die Überwachung einer Freisetzung zuständig? Von wem und wie oft wird ein Freisetzungsversuch kontrolliert?
Die Überwachung eines Freisetzungsversuchs erfolgt durch die zuständige Überwachungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes. Sie überwacht, ob der Betreiber alle Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid einhält. In welcher Weise diese Überwachung durchgeführt wird, entscheidet die Überwachungsbehörde selbst.
Davon zu unterscheiden ist die Kontrolle (= Beobachtung) des Freisetzungsversuchs durch den Betreiber oder die Betreiberin. Diese Beobachtung dient im Wesentlichen dazu, unvorhergesehene Vorkommnisse festzustellen, die einen Einfluss auf die Sicherheit des Versuchs haben können. Dazu muss der Betreiber oder die Betreiberin die Versuchsfläche während der Freisetzung regelmäßig kontrollieren, wobei sicherheitsrelevante Beobachtungen einschließlich eventueller Störungen des Versuchs zu protokollieren und nötigenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Der Betreiber oder die Betreiberin muss die Überwachungsbehörde und das BVL über solche Beobachtungen informieren.
Welche Qualifikationen benötigen Personen, die Freisetzungen durchführen? Werden sie speziell geschult?
Für die unmittelbare Planung, Leitung und Beaufsichtigung einer Freisetzung ist der Projektleiter oder die Projektleiterin verantwortlich. Er oder sie muss nachweisbare Kenntnisse insbesondere in klassischer und molekularer Genetik und praktische Erfahrungen im Umgang mit Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren sowie Kenntnisse über Sicherheitsmaßnahmen und Arbeitsschutz bei Freisetzungen besitzen. Er oder sie ist verantwortlich für die ausreichende Qualifikation und Einweisung von weiteren Beschäftigten. Vor dem Beginn der Freisetzung muss das an der Freisetzung beteiligte Personal von dem Projektleiter oder der Projektleiterin über die Regelungen des Genehmigungsbescheids informiert werden.
Der Betreiber oder die Betreiberin einer Freisetzung bestellt außerdem eine beauftragte Person für die Biologische Sicherheit, welche ebenfalls umfangreiche Fachkenntnisse besitzen muss. Sie überwacht den Projektleiter oder die Projektleiterin bei der Erfüllung seiner oder ihrer Aufgaben und berät den Betreiber oder die Betreiberin.
Gemäß Gentechnik-Sicherheitsverordnung müssen beide Personenkreise auch eine von der zuständigen Landesbehörde anerkannte Fortbildungsveranstaltung besuchen, um die nötige Sachkunde im Umgang mit GVO, also auch bei Freisetzungen, zu erwerben.
Können Pflanzen aus Freisetzungen in die Lebensmittelkette gelangen und wird dadurch die Lebensmittelsicherheit beeinträchtigt?
Gentechnisch veränderte Pflanzen aus Freisetzungen dürfen nicht in Verkehr gebracht werden und somit also auch nicht als Lebensmittel verwendet werden. Das BVL prüft vor der Genehmigung einer Freisetzung, ob die von dem Betreiber oder der Betreiberin vorgesehenen Maßnahmen ausreichen, um einen unbeabsichtigten Eintrag in die Lebensmittelkette zu vermeiden. Bei Bedarf erteilt das BVL Auflagen, die einen Eintrag der GVO in die Lebensmittelkette verhindern. Die Auflagen beinhalten Verfahren zu Umgang, Lagerung und Transport von Saat-, Pflanz- und Erntegut und Maßnahmen zur Kontrolle von Durchwuchs nach Ende der Freisetzung.
Sind Auswirkungen auf das Bodenleben und die Bodenstruktur zu erwarten?
Für gentechnisch veränderte Pflanzen gilt genauso wie für konventionelle Pflanzen, dass die bei der Zersetzung von Pflanzenresten freigesetzten Nukleinsäuren und Proteine oder auch von den Pflanzenwurzeln direkt in den Boden abgegebenen Proteine im Boden zersetzt werden. Sie stellen an sich keine Gefährdung dar.
Im Einzelfall sind je nach Art der gentechnischen Veränderung durch Freisetzungen Auswirkungen auf den Boden möglich und teilweise sogar erwünscht. Ein Beispiel hierfür ist die Entgiftung schwermetallbelasteter Böden durch gentechnisch veränderte Pflanzen. Sollte eine geplante Freisetzung im Einzelfall aufgrund der Art der gentechnischen Veränderung negative Auswirkungen auf das Bodenleben und die Bodenstruktur erwarten lassen, wird das BVL eine Genehmigung dieser Freisetzung entweder gar nicht oder nur auf einer kleinen Fläche unter strengen Sicherheitsvorkehrungen erteilen.
Können sich gentechnisch veränderte Pflanzen aus Freisetzungen ausbreiten?
Die in einer Freisetzungsgenehmigung vorgesehenen Maßnahmen stellen die zeitliche und räumliche Begrenzung der Freisetzung sicher. Dabei wird auch eine mögliche Verschleppung durch Tiere berücksichtigt. Zu solchen Maßnahmen können Einzäunungen, beobachtete Kontrollstreifen um den Freisetzungsversuch und Auflagen zur Durchwuchsbekämpfung zählen.
Können einmal freigesetzte gentechnisch veränderte Pflanzen wieder aus der Umwelt entfernt werden?
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen können gentechnisch veränderte Pflanzen genauso wie nicht veränderte Pflanzen durch landwirtschaftliche Maßnahmen (mechanische Maßnahmen, Herbidzidanwendung) bekämpft und vernichtet werden. Dieses gilt auch für herbizidresistente gentechnisch veränderte Pflanzen, die Herbizidresistenzen gegen bestimmte herbizide Wirkstoffe aufweisen und daher durch Herbizide mit anderen Wirkstoffen abgetötet werden können.
An Standorten mit natürlicher Vegetation sind gentechnisch veränderte Kulturpflanzen wie Gerste, Weizen oder Raps in der Regel konkurrenzschwach und unterliegen dem Wuchs von Wildpflanzen oder sie sind nicht winterhart wie etwa Mais und Kartoffeln und können daher nicht überdauern.
Was sind Markergene und wozu werden sie verwendet?
Das Einbringen von Fremdgenen in das Erbgut ist nur bei einem geringen Teil der zur Transformation eingesetzten Pflanzenzellen erfolgreich. Um diese wenigen Zellen identifizieren zu können (Selektion), wird neben dem gewünschten Zielgen meist ein sogenanntes Markergen (engl. to mark = markieren) eingebracht. Markergene kodieren für selektierbare Eigenschaften, wie z. B. Antibiotikaresistenz oder Herbizidtoleranz, bei denen nur die gentechnisch veränderten Pflanzenzellen den Einsatz des entsprechenden Antibiotikums oder Herbizids überstehen. Daneben gibt es eine Reihe von biochemischen Markergenen, wie z. B. das green fluorescent protein (GFP), welches die Pflanzenzellen unter bestimmten Lichtquellen grün leuchten lässt.
Nach der Selektion der erfolgreich gentechnisch veränderten Pflanzenzellen werden aus diesen wieder Pflanzen generiert. Die eingebrachten Markergene können auch wieder aus der Pflanze entfernt werden. Verbleiben sie in der Pflanze, müssen sie vor einer Freisetzung oder dem Inverkehrbringen einer umfangreichen Risikobewertung unterzogen werden. Die seit 2002 geltende EU-Freisetzungsrichtlinie sieht die „schrittweise Einstellung der Verwendung von Antibiotikaresistenzmarkern in GVO, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können“, vor.
Wie werden die gentechnisch veränderten Pflanzen nach Versuchsende entsorgt?
Alle nicht als Saatgut oder für weitere Untersuchungen benötigten vermehrungsfähigen gentechnisch veränderten Pflanzen werden entsorgt, indem die Vermehrungsfähigkeit vollständig zerstört wird. Geeignete Methoden sind z. B. thermische Behandlung (Dämpfen, Verbrennen oder Autoklavieren), Zerkleinern (Mahlen, Quetschen oder Häckseln) oder die Fermentation in einer Biogasanlage.
Nicht vermehrungsfähiges oder entsprechend vorbehandeltes gentechnisch verändertes Pflanzenmaterial kann auf den Freisetzungsflächen entsorgt werden, etwa durch flache Einarbeitung in den Boden, oder zum Verrotten auf den Freisetzungsflächen liegen bleiben.
Welche Kontrollen erfolgen nach Beendigung eines Freisetzungsversuches?
Nach Beendigung eines Freisetzungsversuches wird auf den Versuchsflächen eine mindestens einjährige Nachkontrolle durchgeführt. Während der Nachkontrolle werden die Versuchsfläche und ein bestimmter Umkreis um die Freisetzungsfläche während der Vegetationsperiode in regelmäßigen Abständen (üblicherweise monatlich) auf nachwachsende gentechnisch veränderte Pflanzen kontrolliert. Auftretende gentechnisch veränderte Durchwuchspflanzen werden entfernt. Treten gentechnisch veränderte Durchwuchspflanzen auf, so wird die Nachkontrolle um ein Jahr verlängert.
Wer haftet für eventuelle Schäden aus Freisetzungen?
Für eventuelle Schäden aus Freisetzungen, die infolge der gentechnisch veränderten Eigenschaften des Organismus verursacht wurden, haftet der Betreiber oder die Betreiberin der Freisetzung. Er oder sie ist verpflichtet, entstehenden Schaden zu ersetzen.
Bei Nutzungsbeeinträchtigungen durch Freisetzungen - wenn z. B. Erzeugnisse aufgrund einer Übertragung der gentechnisch veränderten Eigenschaften eines Organismus oder sonstigen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen nicht in Verkehr gebracht werden dürfen - haftet ebenfalls der Betreiber oder die Betreiberin der Freisetzung.
Können Gene der gentechnisch veränderten Pflanzen auf andere Lebewesen übertragen werden?
Beim Austausch genetischen Materials zwischen verschiedenen Lebewesen unterscheidet man grundsätzlich zwischen dem horizontalen Gentransfer, der die Weitergabe genetischen Materials außerhalb der geschlechtlichen Fortpflanzung und unabhängig von bestehenden Artgrenzen beschreibt, und dem vertikalen Gentransfer (= Kreuzung), der die Übertragung genetischen Materials von der Elterngeneration auf die Nachkommen innerhalb derselben oder zwischen nah verwandten Arten auf sexuellem Wege darstellt.
Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen können durch Pollen auf andere Pflanzen übertragen werden, sofern diese sexuell kompatibel sind. Bei Freisetzungen wird die Möglichkeit eines solchen vertikalen Gentransfers durch die Auflage bestimmter Sicherheitsvorkehrungen (z. B. Mindestabstände zu sexuell kompatiblen Pflanzen) minimiert.
Ein horizontaler Gentransfer von einer Pflanze auf ein Bodenbakterium ist unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich möglich, stellt aber unter natürlichen Bedingungen ein extrem seltenes Ereignis dar. Dennoch bewertet das BVL vor einer Freisetzungsgenehmigung die möglichen Folgen eines solchen horizontalen Gentransfers.
Dafür, dass Gene aus Pflanzen über horizontalen Gentransfer auf Tiere oder den Menschen übertragen, dort etabliert und weitervererbt werden, gibt es keine wissenschaftlich fundierten Belege.
Wie sind unerwünschte Effekte auf den Stoffwechsel der Pflanze zu beurteilen, die durch das Einbringen von Fremdgenen in das Erbgut entstehen können?
Durch die Einführung fremder Gene kann der pflanzliche Stoffwechsel direkt oder indirekt beeinflusst werden. Treten hierdurch unerwünschte Effekte auf, lassen sie sich meist schon als Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes der Pflanzen erkennen. Möglich sind Veränderungen der Gestalt einzelner Pflanzenteile oder generelle Wachstumsstörungen in Form einer verzögerten oder beschleunigten Entwicklung der Pflanzen. In vielen Fällen werden solche Pflanzen von den Antragstellenden aussortiert, da sie für die Weiterentwicklung zu landwirtschaftlichen Sorten nicht zu gebrauchen sind. Bemerken Antragstellende Anzeichen solcher Effekte an ihren gentechnisch veränderten Pflanzen bei der Entwicklung, z. B. in geschlossenen Gewächshäusern, sind sie verpflichtet, ihre Beobachtungen zu protokollieren. Sie gehen dann in die Prüfung des Antrages ein.
Um solche Effekte der Einführung von Fremdgenen einordnen zu können, muss man wissen, dass Inaktivierungen von Genen oder Änderungen der Regulation von Genen und die damit verbundenen Veränderungen der äußeren Gestalt von Pflanzen auch in nicht gentechnisch veränderten Pflanzen als Folge natürlicher Vorgänge wie Mutationen, Umlagerungen (Veränderungen der Reihenfolge) oder Deletionen (Entfernen) von Erbgut vorkommen können. Sind diese schädlich, werden solche Pflanzen vom Züchter ebenfalls aussortiert. Sind sie hingegen positiv, können sie in der Pflanzenzüchtung genutzt werden.