Tätigkeitsbericht 1990 der Zentralen Kommission für die biologische Sicherheit (ZKBS)
Erster Bericht nach Inkrafttreten des Gentechnik-Gesetzes (GenTG) für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.1990
Nach § 15 Abs. 1 der Verordnung über die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBSV) erstellt die ZKBS jährlich einen Tätigkeitsbericht. Den Bericht für den Zeitraum 1.7.1990 bis 31.12.1990 gebe ich bekannt.
Der Bundesminister für Gesundheit
Im Auftrag
Dr. Schubert
Das Gesetz zur Regelung von Fragen der Gentechnik ist am 1.7.1990 in Kraft getreten. Die erste Sitzung der ZKBS unter Gültigkeit des GenTG fand am 21.9.1990 im Bundesgesundheitsamt in Berlin statt. Gemäß den Übergangsregelungen des § 41 Abs. 5 GenTG dauert die Amtszeit der unter den Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren berufenen Mitglieder und Stellvertreter der ZKBS fort. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes setzte sich die ZKBS aus folgenden Personen zusammen:
Mitglieder:
Prof. Dr. H. Brunner, Boehringer, Mannheim GmbH., Penzberg
Prof. Dr. K. Domsch, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, Braunschweig
Prof. Dr. G. Hobom, Institut für Molekularbiologie der Universität Gießen
Dr. H. Jeske, Institut für Botanik und Botanischer Garten der Universität Hamburg, Vertreter des DGB
Dr. W. Klofat, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn
Prof. Dr. R. Lütticken, Institut für Medizinische Mikrobiologie der Rheinisch-westfälischen TH., Aachen
Dr. H. Menne, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, München
Prof. Dr. J. Scholtholt, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Frankfurt/M.
Prof. Dr. P. Starlinger, Institut für Gentechnik der Universität Köln
Prof. Dr. H. Sukopp, Institut für Ökologie, TU Berlin
Prof. Dr. G. Wittmann, Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, Tübingen
Stellvertreter:
Dr. S. Adelmann, Berufsgenossenschaft Chemie, Köln
Frau Dr. V. Berariu-Frische, Verband der Chemischen Industrie
Prof. Dr. W. Messer, Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Dr. G. Meyer, Hauptverwaltung der IG Chemie-Papier-Keramik, Hannover
Die Berufung weiterer Personen in die Kommission ist gemäß den Bestimmungen des GenTG für das erste Halbjahr 1991 vorgesehen. Vorsitz und stellvertretender Vorsitz wurden von Prof. Starlinger und Prof. Hobom weitergeführt. Als ständige Gäste nehmen an den Sitzungen der Kommission Vertreter folgender Behörden teil:
- Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
- Bundesministerium für Forschung und Technologie
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
- Umweltbundesamt
- Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere sowie
- Vertreter verschiedener Landesbehörden.
Für die Vorbereitung der Arbeit der Kommission und für die Ausführung der Beschlüsse ist beim Bundesgesundheitsamt die Geschäftsstelle der ZKBS eingerichtet. Eine vordringliche Arbeit der Geschäftsstelle war die Organisation der Kommissionsarbeit gemäß den Vorgaben des Gentechnikgesetzes und seinen Ausführugsverordnungen.
Im Berichtszeitraum wurden drei Sitzungen der ZKBS durchgeführt. Zentraler Beratungsgegenstand war die Abgabe von Stellungnahmen zur Sicherheitseinstufung gentechnischer Arbeiten und zu den einzuhaltenden sicherheitstechnischen Maßnahmen. Bis Ende des Jahres waren 69 Vorgänge zur Sicherheitsüberprüfung von den Landesbehörden beim Bundesgesundheitsamt eingereicht worden. Dies betraf 49 Anträge auf Anmeldung/Genehmigung gentechnischer Anlagen einschließlich gentechnischer Arbeiten. 18 Verfahren betrafen die Anmeldung/Genehmigung weiterer gentechnischer Arbeiten, zwei Vorgänge sind Anfragen im Vorfeld einer Antragstellung. 40 Verfahren wurden von der ZKBS abschließend beraten, in 32 Fällen wurden die einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen der Stufe 1 zugeordnet, sechs Entscheidungen legten die Sicherheitsstufe 2 und zwei Entscheidungen die Sicherheitsstufe 3 fest.
Zwei Anträge auf Genehmigung von Freisetzungsvorhaben mit gentechnisch veränderten Organismen wurden nach Inkrafttreten des GenTG gestellt. Bei einem Forschungsvorhaben wurde nach Eingang vom Antragsteller mitgeteilt, daß die Durchführung des Genehmigungsverfahrens zunächst ruhen soll.
Das zweite Forschungsvorhaben beabsichtigt, einer weißblühenden Petunie (Petunia hybrida) zwei Fremdgene zu transferieren: Ein Gen verleiht Resistenz gegen bestimmte Antibiotika, das andere Gen führt zur Ausbildung eines lachsroten Pigmentes in den Blüten. Bei dem geplanten Vorhaben sollen die Pflanzen für eine Vegetationsperiode auf einem Versuchsfeld ausgebracht werden. Es sollen die biochemischen Mechanismen der Regulation von Genen, die zur Veränderung der Blütenfarbe führen, analysiert werden.
In Wahrnehmung ihrer Aufgabe als Bertaungsgremium hat die ZKBS sich mit der Frage befaßt, ob aus fachwissenschaftlicher Sicht Selbstklonierungen auch dann nicht unter das GenTG fallen, wenn die zu klonierenden Sequenzen mit artifiziellen Sequenzen, wie Linkern oder Adaptoren, erweitert oder verbunden werden. Ausgangspunkt für die Bewertung war der Begriff des Spenderorganismus als des Organismus, aus dem die Sequenzinformation ursprünglich stammt. Für die Definition der Selbstklonierung ist deshalb zu bewerten, ob die Fremd-DNA aus demselben Spenderorganismus stammt. Eine untergeordnete Rolle spielt die Frage, ob sie synthetisch hergestellt wurde. Bei der bisherigen Praxis der Sicherheitsbewertung ging die ZKBS auch dann von Selbstklonierung aus, wenn an den Enden der Fremd-DNA zusätzlich kurze DNA-Reste , wie Linker, vorhanden sind. Zusätzliche Fragen zur Risikobewertung können dann relevant werden, wenn diese artifiziellen Sequenzen kodierende oder regulatorische Funktionen haben. Ein Überschreiten des Begriffes der Selbstklonierung im Sinne des GenTG durch die zusätzliche Einführung von kurzen, aber funktionslosen DNA-Segmenten, wie Linker- oder Adaptorensequenzen, oder durch die Mutagenese an der selbstklonierten DNA wird von der ZKBS nicht als gegeben angesehen.
Die ZKBS ist in mehreren Anfragen um Stellungnahme gebeten worden, ob Hybridomazellen tierischen und menschlichen Ursprungs grundsätzlich unterschiedlich oder gleichartig zu beurteilen seien. Der Wortlaut der Stellungnahme ist im folgenden wiedergegeben:
Beurteilung von Hybridomazellen tierischen und menschlichen Ursprungs
Das GenTG nennt als Verfahren, die zur Veränderung genetischen Materials im Sinne der Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen führen, grundsätzlich auch Zellfusionen, bei denen lebende Zellen mit einer neuen Kombination von genetischem Material an Hand von Methoden gebildet werden, die unter natürlichen Bedingungen nicht auftreten (§ 3 Nr. 3 Satz 2).
Ausgenommen von der Grundsatzregelung gelten nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials u. a. "Zell- und Protoplastenfusionen von pflanzlichen Zellen, die zu solchen Pflanzen regeneriert werden können, die auch mit herkömmlichen Züchtungstechniken erzeugbar sind" (§ 3 Nr. 3 Satz 3), und darüber hinaus gelten bei der Verwendung in gentechnischen Anlagen nicht als Verfahren der Veränderung gentechnischen Materials u. a. die "Erzeugung somatischer tierischer Hybidoma-Zellen" (§ 3 Nr. 3 Satz 4), z. B. für die Produktion monoklonaler Antikörper.
Das GenTG unterscheidet bei der Ausnahme von der grundsätzlichen Regelung Fusionen von pflanzlichen Zellen und von tierischen Zellen, weil aus Fusionen von pflanzlichen Zellen solche Pflanzen regeneriert werden können, die auch mit herkömmlichen Züchtungstechniken erzeugbar sind (z. B. vermehrbare allopolyploide Organismen). Das ist nach dem Stand der Wissenschaft für tierische Organismen nicht möglich. Es wird also eine Differenzierung zwischen dem Pflanzenreich und dem Tierreich getroffen.
Humane Zellen für die Erzeugung von Hybridoma-Zellen fallen insoweit unter den Oberbegriff "tierische Zellen " in Abgrenzung zu "pflanzlichen Zellen".
Auch die Bewertung möglicher Risiken beim Umgang mit somatischen Hybridoma-Zellen menschlichen und tierischen Ursprungs im engeren Sinne führt nicht zu erheblichen Unterschieden. So geht von den in Kultur genommenen Zellen selbst kein Risiko aus. Risiken könne herrühren von Krankheitserregern, insbesondere Viren, die sich in solchen Zellkulturen vermehren und von ihnen abgegeben werden können. Wenn eine solche Abgabe von Krankheitserregern aus den Zellkulturen anzunehmen ist, wären für eine Risikoabwehr das BSeuchG oder die Tierseuchenerregerverordnung maßgeblich