Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Gerichtsverfahren des BVL zu melatoninhaltigen Erzeugnissen – Abgrenzung Lebensmittel / Arzneimittel

Die Einstufung melatoninhaltiger Erzeugnisse als Lebens- oder Arzneimittel ist aktuell eine sehr umstrittene Frage. Auch die Rechtsprechung hierzu ist sehr uneinheitlich.
In einem Gerichtsverfahren zur Einstufung eines Nahrungsergänzungsmittels mit Melatonin, bei dem das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) beteiligt war, wurde zur Beweiserhebung ein Gutachten zur Bewertung des Melatoningehaltes von Pistazien erstellt.
Da das verwaltungsgerichtliche Verfahren durch eine Klagerücknahme beendet wurde, kam es zu keiner Entscheidung in der Sache. Das im Rahmen dieses Verfahrens erstellte Gutachten über den Gehalt an Melatonin von Pistazien soll hiermit jedoch vorgestellt werden.

Sachverhalt:
Vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig war bis zum 25. April 2018 ein Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 A 113/13 anhängig. Die Beteiligten waren ein in Österreich ansässiges Unternehmen, das Präparate herstellt und vertreibt, die mit Vitaminen, Mineralstoffen, Pflanzenwirkstoffen und sonstigen Mikronährstoffen angereichert sind und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BVL. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war die Einstufung eines Erzeugnisses mit Melatonin als Arzneimittel bzw. Lebensmittel.

Die Verzehrsempfehlung zu diesem Erzeugnis beträgt 1 Kapsel täglich. Eine Kapsel enthält 3 mg Melatonin. Für dieses Produkt wurde beim BVL gemäß § 54 LFGB ein Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung gestellt mit Hinweis darauf, dass das Produkt in Österreich verkehrsfähig sei. Der Antrag wurde vom BVL abgelehnt mit der Begründung, dass klinische Studien zu Melatonin vorliegen, die eine pharmakologische Wirkung in der vorliegenden Dosierung belegen. Das antragsgegenständliche Erzeugnis wurde demnach als Funktionsarzneimittel eingestuft. Die Klägerin war der Ansicht, dass es sich nicht um ein Funktionsarzneimittel handeln könne, da es möglich sei, die im Erzeugnis enthaltene Menge von 3 mg Melatonin durch den Verzehr einer angemessenen Menge von herkömmlichen Lebensmitteln zuzuführen. Sie verwies hierzu auf die Studien von Oladi et. al.1 und Murch et. al.2 zu Melatonin-Gehalten in Pistazien sowie Weintrauben.
Das BVL hat die Autorin der „Weintraubenstudie“ zu ihrer Studie befragt. Die Autorin konnte keine Aussage zum Melatoningehalt in Weintrauben treffen, da die Gehalte in dieser Studie nur in unreifen und damit nicht in für den menschlichen Verzehr bestimmten Trauben gemessen wurden. Insoweit erübrigte sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Verlässlichkeit der Ergebnisse dieser Studie.
Auch bei der „Pistazienstudie“ hatte das BVL aus mehreren Gründen gewichtige Zweifel hinsichtlich der Validität und Richtigkeit.

Das Gericht erhob daher von Amts wegen Beweis zu der Frage, ob eine ergänzende Untersuchung der Pistazien mittels Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS) eine signifikante Änderung des Melatonin-Anteils von Pistazien erbringt.

Die für die Untersuchung beauftragte InphA GmbH - Institut für pharmazeutische und angewandte Analytik erstellte am 12. Mai 2017 ein Gutachten bezüglich der „Untersuchung von acht Proben Pistazien auf ihren Melatoningehalt“. Sie kam zu dem Ergebnis, dass in den von ihr untersuchten Pistazienkernen mit der jetzt verwendeten Messmethodik keine Melatoningehalte festgestellt werden konnten, wobei die Nachweisgrenze 55 ng/g betrug; die Studie von Oladi et. al. hatte 5000 mal höhere Werte von 230 µg/g ausgewiesen.

Damit liegt im Ergebnis keine Studie vor, nach der davon auszugehen ist, dass die Menge an Melatonin nicht auch durch Verzehr eines Lebensmittels in angemessener Menge erzielt werden kann.

Das Gerichtsverfahren wurde nach Vorliegen des Gutachtens der InphA GmbH durch Klagerücknahme beendet.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig sowie die für die Erstellung des Gutachtens beauftragte InphA GmbH haben der Weiterverwendung des Gutachtens zugestimmt.

Unter folgendem Link ist das geschwärzte Urteil des Verwaltungsgerichts sowie das Gutachten der InphA GmbH zu finden.

1. Oladi et al. Spectrofluorimetric determination of melatonin in kernels of four different Pistacia varieties after ultrasound-assisted solid-liquid extraction. Spectrochimica Acta Part A; Molecular and Biomolecular Spectroscopy 132 (2014), 326-329
2. Murch et al. Changes in the levels of indoleamine phytochemicals during véraison and ripening of wine grapes. J Pineal Res 49 (2010), 95–100