Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Einstufung von selenhaltigen Lebensmitteln

Stellungnahme der Gemeinsamen Expertenkommission

Datum: 22.12.2021

Der Mineralstoff Selen kommt als essenzieller Bestandteil aller Organismen natürlicherweise in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vor. Selen wird auch in Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, angereicherten Lebensmitteln und Arzneimitteln eingesetzt. Die Gemeinsame Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen, deren Geschäftsstelle vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geleitet wird, hat nun eine Stellungnahme zur rechtlichen Einstufung von selenhaltigen Erzeugnissen erstellt, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden.

Selen spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Organismus. Sogenannte Selenoproteine enthalten die selenhaltige Aminosäure Selenocystein als spezifischen Baustein und führen mit Hilfe ihrer antioxidativen Eigenschaften spezifische Funktionen aus. Daher beeinflusst der Selenstatus beispielweise die Immunabwehr sowie Schutzmechanismen gegen bestimmte Leberschädigungen und Schwermetalle. Zur Selen-Aufnahme beim Menschen tragen vorrangig Milchprodukte, Fleischerzeugnisse, Getreideprodukte und Fischerzeugnisse bei.

Selenhaltige Erzeugnisse werden als Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel (NEM), Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten; LBMZ) und angereicherte Lebensmittel in den Handel gebracht. Die verschiedenen Produktkategorien, unterscheiden sich in ihrer Zweckbestimmung. Selenhaltige Arzneimittel verwendet man zur Behandlung eines nachgewiesenen Selenmangels, der ernährungsmäßig nicht behoben werden kann. Solche Arzneimittel sind apothekenpflichtig und in Dosierungen über 70 µg verschreibungspflichtig. NEM sind zur Ergänzung der allgemeinen Ernährung bestimmt. Im Falle der LBMZ erfolgt die Anwendung im Rahmen eines Diätmanagements bei Patienten mit einem medizinisch bedingten (erhöhten) Nährstoffbedarf.

Die Gemeinsame Expertenkommission hat festgestellt, dass nach gegenwärtigen Schätzungen die Selenzufuhr über die Nahrung bei Erwachsenen in Deutschland bei ca. 30–50 µg pro Tag liegt. Damit liegt die geschätzte Selenzufuhr bei Erwachsenen unterhalb der Zufuhrempfehlungen der Fachgesellschaften für Ernährung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von 60–70 µg pro Tag. Allerdings kommt in Deutschland in der Regel kein klinisch relevanter Selenmangel aufgrund einer Unterversorgung über die allgemeine Ernährung vor. Die Gemeinsame Expertenkommission geht daher bei Dosierungen von bis zu 50 µg Selen pro Tag von einer ernährungsspezifischen bzw. einer physiologischen Wirkung aus, die selbst bei einer sehr geringen Selenzufuhr über die Nahrung für eine Aufrechterhaltung einer adäquaten Selenversorgung ausreichend ist. Für NEM in Dosierungen oberhalb von 50 µg Selen pro Tag erkennt die Gemeinsame Expertenkommission aus wissenschaftlicher Sicht keinen über den Ausgleich hinausgehenden ernährungsspezifischen Nutzen.

Als Grundlage für die Beurteilung der Sicherheit selenhaltiger Lebensmittel zieht die Gemeinsame Expertenkommission den von der EFSA abgeleiteten UL (Tolerable Upper Intake Level) von 300 µg pro Tag heran. Dieser kann nach Einschätzung der Gemeinsamen Expertenkommission bereits durch allgemeine Ernährung überschritten werden. Gegebenenfalls wird der toxikologisch relevante Bereich erreicht. Ausgehend davon zieht die Gemeinsame Expertenkommission bei hoch dosierten selenhaltigen NEM eine Beurteilung als nicht sicheres Lebensmittel in Betracht. Bei Kindern unter zehn Jahren könnte bereits eine Supplementierung mit NEM, die für Erwachsene dosiert wurden, zu einer Überschreitung kinderspezifischer UL-Werte führen. Daher empfiehlt die Gemeinsame Expertenkommission, die Kennzeichnung solcher Produkte mit einem Hinweis zu versehen, dass sie nicht für die betroffenen Altersklassen geeignet sind.

Die Tagesdosierungen selenhaltiger NEM und Arzneimittel liegen teilweise in derselben Größenordnung. Zur Abgrenzung von Produkten in einem solchen Grenzbereich wurde in der Rechtsprechung das Kriterium der sogenannten Erheblichkeitsschwelle entwickelt. Aufgrund der hohen Selenaufnahme über die allgemeine Ernährung wäre die Erheblichkeitsschwelle erst in einem Bereich oberhalb des UL erreicht. Daher kann nach Einschätzung der Gemeinsamen Expertenkommission für die praktische Beurteilung der Verkehrsfähigkeit selenhaltiger NEM offenbleiben, ob eine solche Erheblichkeitsschwelle für Selen definierbar und anwendbar ist, da die Verkehrsfähigkeit derartiger Produkte bereits durch Sicherheitsbedenken infrage gestellt wird. Eine Einstufung als Funktionsarzneimittel unterhalb von Selendosierungen, die durch den Verzehr von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs in angemessener Menge aufgenommen werden können, ist nicht möglich.

Ausgabejahr 2021
Datum 22.12.2021

Pressekontakt

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Presse und Öffentlichkeitsarbeit • Gerichtstraße 49 • 13347 Berlin
Telefon: 030 18444 -88250 • Fax: 030 18444 -89999
E-Mail Adresse: presse@bvl.bund.de