Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Anwendungsbestimmungen zum Schutz von Arbeitern bei Nachfolgearbeiten

Datum: 15.03.2018

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wird bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln künftig neue Anwendungsbestimmungen zum Schutz von Arbeitern bei Nachfolgearbeiten erteilen. Diese neuen Vorschriften sind differenzierter und berücksichtigen die Wiederbetretungsszenarien für verschiedene Kulturen besser. Grundlage der Risikobewertung für Arbeiter und für die Ableitung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen ist ein neues EU-weit harmonisiertes Expositionsmodell der EFSA. Die Vergabe der neuen Auflagen erfolgt ab sofort und sukzessive bei neu zugelassenen oder genehmigten Pflanzenschutzmitteln. Eine systematische Anpassung bestehender Zulassungen ist nicht vorgesehen.

Generell gilt, dass nach Spritz- oder Sprühanwendungen die behandelten Flächen erst nach dem Abtrocknen des Pflanzenschutzmittelbelages wieder betreten werden dürfen. Wenn die Risikobewertung im Zulassungsverfahren ergibt, dass auch nach dem Abtrocknen direkte Kontakte zu behandelten Pflanzen ein unvertretbares gesundheitliches Risiko darstellen, sind besondere Anwendungsbestimmungen einzuhalten. Diese Auflagen enthalten folgende Aspekte:

  • Art der Schutzausrüstung, die zu tragen ist - Lange Arbeitskleidung und festes Schuhwerk; Schutzhandschuhe können hinzukommen
  • Zeitraum nach dem Abtrocknen, in dem die Schutzausrüstung zu tragen ist - 2 / 7 / 14 / 21 / 28 Tage bzw. bis kurz vor bzw. bis einschließlich Ernte
  • Kulturgruppen, für die die Schutzausrüstung gilt - z. B. Gemüse, Obstbaumkulturen oder Ackerbaukulturen
  • Unter Umständen die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 2 Stunden

Beispiel

grundsätzlich vergeben:

  • Es ist sicherzustellen, dass behandelte Flächen/Kulturen erst nach dem Abtrocknen des Pflanzenschutzmittelbelages wieder betreten werden.

bei Bedarf zusätzliche Anwendungsbestimmung:

  • Es ist sicherzustellen, dass bei Nachfolgearbeiten/Inspektionen mit direktem Kontakt zu den behandelten Pflanzen/Flächen innerhalb von 21 Tagen nach der Anwendung in Hopfen lange Arbeitskleidung und festes Schuhwerk sowie Schutzhandschuhe getragen werden.

ggf. ergänzend:

  • Es ist sicherzustellen, dass die Arbeitszeit in den behandelten Kulturen innerhalb von 7 Tagen nach der Anwendung in Hopfen auf maximal 2 Stunden täglich begrenzt ist. Dabei sind lange Arbeitskleidung und festes Schuhwerk sowie Schutzhandschuhe zu tragen.

Anwendungsbestimmungen müssen vom Anwender bzw. der verantwortlichen Person befolgt werden. Wenn erforderlich, sind auch andere Personen in ihrem Betrieb zu informieren.

Die neuen Regelungen stellen das Ergebnis einer Anpassung der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln an den technischen Fortschritt dar. Sie haben keine Auswirkungen auf die mit dem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels vorzulegenden Unterlagen. Vorgelegte Informationen zur Verfeinerung der Risikobewertung (z.B. Halbwertzeiten auf Pflanzenoberflächen oder gemessene abstreifbare Rückstände) werden bei der Risikobewertung und der Ableitung der notwendigen Auflagen berücksichtigt.

Hintergrund

Im Zuge der Kulturführung von Nutzpflanzen kann es erforderlich werden, dass die Kulturen für Inspektionen oder Nachfolgearbeiten betreten werden müssen. Sofern zuvor Pflanzenschutzmittel eingesetzt worden sind, besteht die Möglichkeit, dass Rückstände von Pflanzenoberflächen auf Personen, die eine behandelte Fläche betreten, übergehen und über die Haut in den Körper aufgenommen werden.

Das Ausmaß des Überganges hängt dabei maßgeblich von der Art, der Menge und dem Zeitpunkt des ausgebrachten Pflanzenschutzmittels bzw. Wirkstoffes ab. Weitere Einflussfaktoren ergeben sich aus der Art der Tätigkeit und damit dem Ausmaß des Körper- bzw. Handkontaktes zu den behandelten Pflanzen sowie der Dauer der Tätigkeit in der Kultur.

Im Rahmen der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln im Zulassungsverfahren wird die beschriebene Exposition im sogenannten Wiederbetretungsszenario als „Arbeiter-Exposition“ mit Hilfe eines mathematischen Expositionsmodells ermittelt und hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken bewertet.

Seit 2016 wird die Exposition von Anwendern, Arbeitern und unbeteiligten Dritten mit Pflanzenschutzmitteln nach neuen, EU-weit harmonisierten EFSA-Leitlinien bewertet. Aufgrund der Anpassung der Risikobewertungspraxis an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sind detailliertere Regelungen erforderlich geworden, um Arbeiter im Einzelfall vor zu hoher Exposition zu schützen. Bei der Bewertung wird berücksichtigt, dass es in den verschiedenen Kulturgruppen unterschiedliche Betretungsszenarien gibt:

  • Unterschiedliche Kulturpflanzen werden durch entsprechende Transferkoeffizienten, die den Übergang von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen auf die Hände und Körperoberfläche von Arbeitern bei den jeweiligen Tätigkeiten charakterisieren, in dem Expositionsmodell abgebildet.
  • Bei Ackerbaukulturen wird eine durchschnittliche Dauer der erforderlichen Arbeiten, z.B. Bewässerung/Inspektion, von max. 2 Stunden je Tag zu Grunde gelegt. Bei Kulturen, bei denen Nachfolgearbeiten wie z.B. manuelle Pflege- oder Erntearbeiten erforderlich sind, wird ein Zeitraum von 8 Stunden je Tag veranschlagt.

Als weitere Parameter gehen die Aufnahmerate über die Haut (dermale Absorptionsrate), die Haftfähigkeit der Rückstände auf den Pflanzenteilen sowie das Abbauverhalten über die Zeit in die Berechnungen ein. Die Bewertung der Arbeiter-Exposition folgt einem gestuften Verfahren, bei dem grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass nur Kulturen mit bereits abgetrocknetem Pflanzenschutzmittelbelag wieder betreten werden.

Im ersten Schritt erfolgt eine Berechnung der Exposition von Arbeitern in der zur Rede stehenden Kultur ohne persönliche Schutzausrüstung bzw. ohne lange Arbeitskleidung. Ergibt sich im Vergleich mit dem toxikologischen Referenzwert (AOEL) eine unzulässige Überschreitung, wird es erforderlich, die Exposition durch das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung bzw. langer Arbeitskleidung zu vermindern. Demzufolge werden die nachfolgenden Berechnungen unter Berücksichtigung der expositionsmindernden Wirkung von langer Arbeitskleidung und festem Schuhwerk durchgeführt. Sollte diese Minderungsmaßnahme nicht ausreichen, besteht die Möglichkeit zusätzlich das Tragen von Schutzhandschuhen vorzuschreiben. Über geeignete Handschuhe für Arbeiten im Wiederbetretungsszenario gibt die jüngst aktualisierte BVL-Richtlinie Auskunft.

Wenn auch die Kombination aus langer Arbeitskleidung, festem Schuhwerk und Schutzhandschuhen nicht ausreicht, das Risiko hinreichend zu begrenzen, besteht außerdem die Möglichkeit, die zulässige Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum in den behandelten Kulturen auf 2 Stunden pro Tag zu verringern.

Das BVL hat in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung einen neuen Katalog von Auflagen entwickelt, der die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten berücksichtigt. Um die Maßnahmen auf das erforderliche Maß zu begrenzen, wird das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung auf den notwendigen Zeitraum begrenzt, bis der Abbau des ausgebrachten Pflanzenschutzmittels bzw. des betrachteten Wirkstoffes auf den Pflanzen so weit fortgeschritten ist, dass keine gesundheitlichen Bedenken mehr bestehen. Darüber hinaus werden die Auflagen im Regelfall auf die erforderlichen Gruppen von Kulturen beschränkt (z.B. Ackerbaukulturen, Hopfen oder Obstbaumkulturen). Die zuständigen Behörden der Bundesländer und Interessenvertretungen wurden mit der Option der Stellungnahme vor Einführung dieser neuen Regelungen informiert. Hinweise aus diesem Kreis sind in die neuen Regelungen eingeflossen.

Ausgabejahr 2018
Datum 15.03.2018

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