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Einsatz von dicht schließenden Fahrerkabinen mit Luftfiltration im Pflanzenschutz

Datum: 08.01.2020

Auch Traktorkabinen der Kategorie 2 können Anwender ausreichend vor Spritznebel schützen. Deshalb können Anwender in solchen Kabinen unter bestimmten Voraussetzungen auf das Tragen von Schutzausrüstung für Haut und Augen verzichten. Die neue Regelung gilt, bis laufende Versuche zum Anwenderschutz abgeschlossen sind.

Dicht schließende Fahrerkabinen können Anwender während der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln wirksam vor einer Exposition insbesondere durch Spritznebel schützen. Die Schutzwirkung ist abhängig von der technischen Ausgestaltung und Handhabung der verschiedenen Kabinentypen und lässt sich in Kategorien mit unterschiedlichem Schutzniveau einteilen (siehe Tabelle 1).

Bisher regelte die Kennzeichnungsauflage SB1991, welche Kabinentypen bei selbstfahrenden Anwendungsgeräten oder Traktoren geeignet sind, persönliche Schutzausrüstung (PSA) beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln zu ersetzen. Seit Einführung der Auflage im Jahr 2017 wurde sie immer dann erteilt, wenn mit der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels PSA für die Ausbringung des Mittels erforderlich ist.

Auch in der BVL-Richtlinie „Persönliche Schutzausrüstung beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln“ (BVL PSA-Richtlinie, 2017) ist die Auflage SB199 beschrieben und hat damit allgemeine Gültigkeit erlangt.

In der Fachmeldung „Schutzausrüstung bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Fahrzeugen mit Überdruckkabinen“ vom 15. Januar 2018 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) über die Auflage SB199 informiert und Hinweise zur Auslegung gegeben.

Inzwischen hat das BVL durch vielfältige Kontakte zu Praktikern und beteiligten Behörden Erfahrungen zur Akzeptanz, Praktikabilität und Umsetzung der Auflage SB199 gesammelt. Es ergab sich folgender Optimierungsbedarf:

  • In der zitierten Fachmeldung fehlt bei der Liste der PSA, die durch die Abschirmwirkung einer geeigneten Schlepperkabine ersetzt werden kann, der Hinweis auf Augen- und Gesichtsschutz.

  • Es ist eine deutlichere Klarstellung erforderlich, dass der Inhalt der Auflage SB199 im Sinne der generellen Regelung in der BVL-PSA-Richtlinie für alle zugelassenen Pflanzenschutzmittel gilt.

  • Die Schutzwirkung der unterschiedlichen Kabinentypen (Kategorien) sollte klarer dargestellt werden. Eine übersichtliche Darstellung wird benötigt, welche PSA durch welche Kabinen ersetzt werden kann.

  • Die meisten Bestandstraktoren verfügen nicht über Kabinen der Kategorien 3 oder 4. Die Beschränkung der SB199-Regelung auf Kabinen der Kategorien 3 und 4 birgt somit die Gefahr, dass im Zuge von Tätigkeiten beim Ansetzen der Spritzflüssigkeit und Befüllen des Gerätes kontaminierte Schutzanzüge und Schutzhandschuhe nicht gewechselt werden und dadurch der Innenraum der Kabine kontaminiert wird.

Neue Regelung

Die bisherige Ausnahmeregelung der Auflage SB199 zur Eignung von Traktorkabinen als Ersatz für PSA wird um den Kabinentyp Kategorie 2* erweitert.

Nach aktuellem Stand geht das BVL davon aus, dass auch entsprechend definierte, geschlossene Traktorkabinen, die nicht den Kategorien 3 oder 4 zuzuordnen sind, eine ausreichend hohe Abschirmwirkung gegen Spritznebel ausüben. In diesem Sinne können Kabinen der Kategorie 2* PSA zum Schutz der Haut und der Augen ersetzen.

Die Regelung gilt für Anwendungen in Flächen- und Raumkulturen mit Kabinen, die den unten genannten Kriterien entsprechen und in Kombination mit angebauten, gezogenen sowie mit selbstfahrenden Geräten eingesetzt werden.

Tabelle 1 liefert eine Definition der verschiedenen Kabinentypen im Sinne dieser neuen Regelung.

Tabelle 1: Kategorisierung von Kabinen

Definition von verschiedenen Fahrzeug-Kabinentypen im Sinne der neuen Regelung zum Einsatz von dicht schließenden Fahrerkabinen mit Luftfiltration im Pflanzenschutz Quelle: (c) Röver / BVL

Aktuell werden experimentelle Studien durchgeführt, um die neue Regelung zu überprüfen. Daher wird die Erweiterung der bisherigen Regelungen aus der Auflage SB199 zunächst auf eine Übergangsphase von 4 Jahren befristet. Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind, erfolgt eine Überprüfung und ggf. Anpassung der neuen Regelung unter Berücksichtigung der neuen Datenlage zur Abschirmwirkung von Kabinen der Kategorie 2*.

Die erweiterte Regelung gilt ab sofort für alle zugelassenen Pflanzenschutzmittel, bei denen für die Ausbringung des Mittels PSA (Schutzanzug, Schutzhandschuhe, Augen- und Gesichtsschutz oder Atemschutz) vorgeschrieben ist.

Der Verzicht auf PSA in geeigneten Fahrerkabinen ist nur zulässig, wenn Fenster, Türen und weitere Lüftungsöffnungen während der Anwendung geschlossen sind.

Die Kennzeichnungsauflage SB199 wird künftig nicht mehr im Zulassungsverfahren bei den jeweiligen Mitteln berücksichtigt.

Es ist jedoch nicht vorgesehen, alle früher erteilten Kennzeichnungsauflagen (SB199) durch Änderungsbescheide zu streichen.

Über die regelmäßig erteilte Kennzeichnungsauflage SB111 erfolgt bereits jetzt der Hinweis auf die BVL-Richtlinie „Persönliche Schutzausrüstung beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln“ (BVL PSA-Richtlinie, 2017). Die Richtlinie wird zurzeit aktualisiert. Bis zur Veröffentlichung einer aktualisierten Fassung ersetzt diese Fachmeldung den Inhalt des Abschnittes „Verwendung von Traktoren mit Luftfiltration“.

Erläuterungen und Hinweise für Anwender

Vor der Zulassung werden Pflanzenschutzmittel in Deutschland umfassend hinsichtlich möglicher schädlicher Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und der Umwelt geprüft. Nur wenn bestehende Grenzwerte eingehalten werden oder die Möglichkeit besteht, die Einhaltung durch risikomindernde Maßnahmen zu gewährleisten (Risikomanagement), kann eine Zulassung durch das BVL erteilt werden.

Kennzeichnungsauflagen und Anwendungsbestimmungen für Anwender werden nicht pauschal erteilt. Sie sind das Ergebnis einer Einzelfallprüfung im Rahmen der Risikobewertung für jedes einzelne Pflanzenschutzmittel. Die Auflagen sind notwendig, um die ermittelte Exposition und damit das Risiko für Anwender auf ein vertretbares Maß abzusenken. Zu diesem Zweck wird üblicherweise die Verwendung von PSA vorgeschrieben. Nur wenn die vorgeschriebene PSA korrekt verwendet wird, kann die Anwendung als sicher beurteilt werden. Anwender von Pflanzenschutzmitteln müssen deshalb alle mit der Zulassung erteilten Auflagen beachten!

Ungeachtet dieser generellen Regelung kann auf direkte Schutzmaßnahmen für den Körper verzichtet werden, wenn geeignete technische Rahmenbedingungen vorliegen. Dies gilt für Fahrerkabinen, die konstruktionsbedingt eine hinreichende Abschirmwirkung aufweisen und korrekt gehandhabt werden. In diesem Fall können Anwender im Fahrzeug während der Ausbringung in Abhängigkeit vom Kabinentyp auf PSA verzichten.

Tabelle 2 gibt eine Übersicht, welcher Kabinentyp (siehe Tabelle 1) welche Elemente der persönlichen Schutzausrüstung ersetzen kann.

Tabelle 2: möglicher Ersatz vorgeschriebener PSA durch Fahrerkabinen
Kabinentypersetzbare PSA
SchutzanzugSchutzhandschuheAugen-/
Gesichtsschutz
Atemschutz

Piktogramm „Schutzanzug"

Piktogramm „Schutzandschuhe"

Piktogramm „Augen-/Gesichtsschutz"

Piktogramm „Atemschutz"

Kategorie 1

-

-

-

-

Kategorie 2*

Piktogramm „Schutzanzug"

Piktogramm „Schutzandschuhe"

Piktogramm „Augen-/Gesichtsschutz"

-

Kategorie 3

Piktogramm „Schutzanzug"

Piktogramm „Schutzandschuhe"

Piktogramm „Augen-/Gesichtsschutz"

Piktogramm „Atemschutz"

*)
Kategorie 4

Piktogramm „Schutzanzug"

Piktogramm „Schutzandschuhe"

Piktogramm „Augen-/Gesichtsschutz"

Piktogramm „Atemschutz"

*) Kabinen der Kategorien 3 liefern keinen ausreichenden Schutz gegen gasförmige Schadstoffe
Quelle Piktogramme: Durand-Réville / www.uipp.org
  • Bei Fahrzeugen ohne definiertes Schutzniveau (Kategorie 1), kann keinesfalls auf vorgeschriebene PSA verzichtet werden.

  • Kabinen der Kategorien 2* im Sinne der Erläuterungen der Tabelle 1 können Schutzanzug, Schutzhandschuhe sowie Augen- oder Gesichtsschutz ersetzen.

  • Kabinen der Kategorien 3 und 4 sind darüber hinaus geeignet, vorgeschriebene Atemschutzmasken zu ersetzen. Aufgrund der Filterauslegung können Kabinen der Kategorien 3 und 4 partikelfiltrierenden Atemschutz ersetzen. Ausreichenden Schutz gegen gasförmige Schadstoffe liefern ausschließlich Kabinen der Kategorie 4.

  • Im Lüftungssystem integrierte Filter sind entsprechend der Herstellerangaben regelmäßig zu wechseln.

  • Sofern geeignete höherwertige Filter mit Rückhaltefunktion für Aerosole und gasförmige Substanzen für Kategorie 2* und 3 Kabinen verfügbar sind, wird empfohlen, diese für den Einsatz im Pflanzenschutz zu verwenden.

  • Bestandstraktoren können teilweise durch am Markt verfügbare Nachrüstsysteme auf das Schutzniveau der Kategorien 3 bzw. 4 aufgerüstet werden.

  • Da die erweiterten Regelungen zu Kabinen der Kategorie 2* zeitlich befristet sind und die Ergebnisse des begleitenden Projektes im Vorfeld nicht abschätzbar sind, wird empfohlen, bei Neuanschaffungen von Traktoren für den Einsatz im Pflanzenschutz einen Kabinentyp mit hohem Schutzniveau zu wählen. Diese Empfehlung gilt auch, wenn die Erweiterung langfristig Bestand haben sollte. Im Sinne eines bestmöglichen Schutzes von Anwendern bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln vor Spritz- oder Sprühnebel ist anzuraten, Fahrzeugen mit zertifizierten Überdruckkabinen der Kategorien 3 und 4 (gemäß EN 15695-1 und -2) bei Neuanschaffungen den Vorzug zu geben. Die Entwicklung von Traktoren und selbstfahrenden Spritz-/Sprühgeräten mit (zertifizierten) geschlossenen Kabinen ist inzwischen vorangeschritten und geeignete Fahrzeuge sind bzw. werden zunehmend verfügbar.

Verhalten bei Unterbrechung der Anwendung mit Verlassen der Fahrzeugkabine

Es kann vorkommen, dass die Pflanzenschutzmittelanwendung unterbrochen werden muss, um Einstellungen oder Reparaturen am Gerät oder Arbeiten an den behandelten Kulturen vorzunehmen.

Bei allen Tätigkeiten außerhalb der Kabine mit Kontakt zur behandelten Kultur oder kontaminierten Oberflächen ist die für das Pflanzenschutzmittel vorgeschriebene PSA zu tragen. Um die Kontamination des Kabineninnenraumes zu vermeiden, ist die Kabine nicht mit kontaminierter PSA zu betreten.

Ist für die Ausbringung des Pflanzenschutzmittels ein Schutzanzug (Pflanzenschutz) vorgeschrieben2, so kann bei Tätigkeiten außerhalb der Kabine alternativ zu diesem Schutzanzug auch eine Kombination aus Arbeitskleidung und Ärmelschürze getragen werden. Dies gilt, wenn Tätigkeiten durchgeführt werden, bei denen insbesondere die vordere Körperseite exponiert wird, z. B. Behebung von Gerätestörungen oder Reinigung der Ausbringungsgeräte. Weitere Hinweise zur Verwendung von Ärmelschürzen im Pflanzenschutz hat das BVL mit der Fachmeldung „Die Ärmelschürze als neues Element der persönlichen Schutzausrüstung für Anwender“ vom 7. Juni 2019 veröffentlicht.

In der BVL PSA-Richtlinie sind Anforderungen an die Arbeitskleidung und weitere PSA für den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln beschrieben. Eine Liste mit geeigneter Schutzausrüstung ist im Internetangebot des BVL verfügbar (www.bvl.bund.de/PSA).

Kontaminierte PSA sollte außerhalb der Kabine, vorzugsweise in einem dafür vorgesehenen Behältnis am Ausbringungsgerät oder am Traktor aufbewahrt werden. Kontaminierte Mehrweg-Handschuhe sollten vor dem Ausziehen abgewaschen werden. Generell wird die Verwendung von Einweg-Handschuhen empfohlen, die nach Gebrauch entsorgt werden. Die Hände sollten vor Wiederbetreten der Kabine mit klarem Wasser gereinigt werden.

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1 SB199: Wenn das Produkt mittels an den Traktor angebauten, gezogenen oder selbstfahrenden Anwendungsgeräten ausgebracht wird, dann sind nur Fahrzeuge, die mit geschlossenen Überdruckkabinen (z. B. Kabinenkategorie 3, wenn keine Atemschutzgeräte oder partikelfiltrierenden Masken benötigt werden oder Kabinenkategorie 4, wenn gasdichter Atemschutz erforderlich ist (gemäß EN 15695-1 und -2)) ausgestattet sind, geeignet, um die persönliche Schutzausrüstung bei der Ausbringung zu ersetzen. Während aller anderen Tätigkeiten außerhalb der Kabine ist die vorgeschriebene persönliche Schutzausrüstung zu tragen. Um die Kontamination des Kabineninnenraumes zu vermeiden, ist es nicht erlaubt, die Kabine mit kontaminierter persönlicher Schutzausrüstung zu betreten (diese sollte in einer entsprechenden Vorrichtung aufbewahrt werden). Kontaminierte Handschuhe sollten vor dem Ausziehen abgewaschen werden, beziehungsweise sollten die Hände vor Wiederbetreten der Kabine mit klarem Wasser gereinigt werden.

2 Schutzanzüge und Atemschutz werden nach aktueller Bewertungslage nicht mehr für die Ausbringung von Spritzmitteln vorgeschrieben. Ausnahmen hiervon können sein: Altzulassungen mit noch bestehenden Auflagen, spezielle Mittel (z. B. Nebelmittel, Begasung), handgeführte Anwendungen und in Einzelfällen Übernahmen von Auflagen im zonalen Zulassungsverfahren.

Ausgabejahr 2020
Datum 08.01.2020

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