MDR1-Gendefekt bei Haustieren

Manche Hunde reagieren empfindlicher auf bestimmte Tierarzneimittel

Datum: 30.07.2025

Der sogenannte MDR1-Transporter übernimmt eine Art Türsteherfunktion in den Zellen verschiedener Organe des Körpers. MDR steht hierbei für „Multidrug Resistance“. Der MDR1-Transporter hat eine sehr wichtige Funktion in der Blut-Hirn-Schranke, wo er das Gehirn vor Substanzen schützt, die für die Nervenzellen schädlich sein könnten. Er befindet sich aber auch in anderen Organen wie im Darm, in der Leber und den Nieren, wo er die Aufnahme bestimmter Substanzen verringert beziehungsweise die Ausscheidung erhöht. Zu diesen Substanzen gehören auch Wirkstoffe aus Tierarzneimitteln, z. B. aus den Wirkstoffgruppen der Antiparasitika, Chemotherapeutika und Anästhetika.

Mutationen im MDR1-Gen können dazu führen, dass der MDR1-Transporter seine Schutzfunktion nicht ausüben kann und betroffene Hunde dadurch eine höhere Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Substanzen aufweisen. Dies ist dadurch bedingt, dass bei einem nicht funktionsfähigen MDR1-Transporter einerseits mehr von einem verabreichten Wirkstoff aus dem Darm in den Körper aufgenommen wird und dass er anderseits langsamer wieder ausgeschieden wird und somit ein höherer Wirkstoffspiegel im Körper vorliegt. Zusätzlich können höhere Mengen an Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke überwinden und in die Nervenzellen des Gehirns gelangen, als dies bei einem intakten MDR1-Transporter der Fall wäre. Das erklärt, warum es bei Tieren mit einem MDR1-Gendefekt zu einer verstärkten Wirkung und somit einem vermehrten Auftreten von unerwünschten Ereignissen (Nebenwirkungen) kommen kann.

Bisher ist bekannt, dass v. a. Hütehunde, wie Collies, Shelties oder Australian Shepherds, von diesen Mutationen betroffen sind. Sie wurden allerdings auch bei verschiedenen anderen Hunderassen, z. B. Windhundrassen, sowie Mischlingshunden und sogar bei Katzen nachgewiesen [1, 2, 3, 4].

Eine Gruppe von Wirkstoffen, die bei einer Mutation des MDR1-Gens zu unerwünschten Ereignissen führen können, sind die Makrozyklischen Laktone. Zu diesen gehören verschiedene Wirkstoffe zur Parasitenbehandlung oder -prophylaxe. Bereits eine Behandlung mit der empfohlenen Dosierung kann bei den betroffenen Hunden durch eine Anreicherung im Gehirn zu neurologischen Symptomen wie Koordinationsstörungen, Lethargie, Zittern, Krampfanfällen, Pupillenweitstellung und Koma führen [4, 5].

Im Verdachtsfall kann es sinnvoll sein, eine genetische Untersuchung durchführen zu lassen, um festzustellen, ob der eigene Hund von einem MDR1-Gendefekt betroffen ist. Dann kann dies bei notwendigen Arzneimittelanwendungen entsprechend berücksichtigt werden. Vor allem bei den oben erwähnten Hunderassen ist eine tierärztliche Beratung und Untersuchung vor der Anwendung von insbesondere Antiparasitika aus der Wirkstoffklasse der Makrozyklischen Laktone sinnvoll.

Bei der Zulassung von Tierarzneimitteln mit entsprechenden Wirkstoffen wird außerdem bei Bedarf geprüft, inwiefern sich ein möglicher MDR1-Gendefekt auf die Verträglichkeit des Tierarzneimittels auswirkt, um gegebenenfalls entsprechende Warnhinweise aufzunehmen.

Neben der direkten Behandlung mit einem Tierarzneimittel kann auch die indirekte Aufnahme der entsprechenden Wirkstoffe zu Vergiftungserscheinungen bei empfindlichen Tieren führen. Dazu kann es beispielweise durch Belecken behandelter Tiere oder durch die Aufnahme von deren Kot (z. B. Pferdeäpfel von kürzlich entwurmten Pferden) kommen. Hunde, bei denen eine Mutation des MDR1-Gens vermutet wird oder festgestellt wurde, sollten daher unbedingt von kürzlich mit kritischen Wirkstoffen behandelten Tieren und deren Ausscheidungen ferngehalten werden.

1. Geyer and Janko: „Treatment of MDR1 Mutant Dogs with Macrocyclic Lactones“; Current Pharmaceutical Biotechnology, 2012, 13, 969-986

2. Mealey and Burke: “Identification of a nonsense-mutation in feline ABDB1”; J Vet Pharmacol Ther, 2015; 38(5), 429-33

3. Nürnberger et al.: „Detection of the ABCB1 1930_1931del TC Mutation in Two Suspected Ivermectin-Sensitive Cats and Their Relatives by a Novel TaqMan Allelic Discrimination Assay”; Front Vet Sci, 2022, 8

4. Müller and Geyer: „Berücksichtigung des MDR1-Defekts beim Hund für die Anwendung von Anästhetika“; Der Praktische Tierarzt, 2021, 102, 1051–1066

5. Merola and Eubig: “Toxicology of avermectins and milbemycins (macrocylic lactones) and the role of P-glycoprotein in dogs and cats”; Vet Clin North Am Small Anim Pract, 2012, 42(2), 313-33

Ausgabejahr 2025
Datum 30.07.2025

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