Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Klarstellung zu SPIEGEL-Bericht über BVL

Datum: 13.09.2021

In einer umfangreichen Antwort auf die Fragen des SPIEGEL hat das Bundesamt seine Kontakte zu Unternehmen erklärt.

In seiner Ausgabe 37 / 2021 unterstellt der SPIEGEL dem BVL enge Kontakte zu einem Industrieunternehmen und vermeidet dabei, auf die Antworten einzugehen, die der SPIEGEL vom BVL eingefordert und erhalten hat. Die Fragen beziehen sich dabei auf zwei unterschiedliche Vorgänge, die zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Seiten initiiert wurden. Antworten und Fragen geben wir hier ungekürzt wieder.

1. Seit wann korrespondiert das BVL mit Cibus zu Fragen u.a. der gentechnischen Einstufung des Rapses – und ist es normal für eine Behörde, mit einem Unternehmen über Jahre so eng zu korrespondieren (und dies oft auch auf Initiative des BVL selbst)?

Das BVL ist gemäß § 16 GenTG die zuständige Bundesoberbehörde für die Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit von Freilandversuchen mit Organismen, die unter das Gentechnikrecht fallen. Vor diesem Hintergrund kontaktierte die Firma Cibus das BVL am 18.07.2014 und bat um Klärung der Frage, ob ein mittels Genome-Editing produzierter Raps für Feldversuche einer Freisetzungsgenehmigung bedarf. Diese Anfrage mündete im Jahre 2014 in einen Feststellungsantrag der Firma nach Verwaltungsverordnung, deren Bearbeitung und Bescheidung der Zuständigkeit des BVL oblag. Der Korrespondenzaufwand entspricht demjenigen, der auch bei Bearbeitung von Freisetzungsanträgen anderer Einrichtungen regelmäßig anfällt. Dazu gehören auch eigenständige Nachfragen der Behörde beim Antragssteller. Der Feststellungsbescheid des BVL erging am 05.02.2015.

2. Warum korrespondiert das BVL so intensiv mit Cibus?

Zur Bearbeitung des Feststellungsantrages war die Prüfung wissenschaftlicher Unterlagen nötig, um bewerten zu können, ob das von Cibus zur Feststellung beantragte Verfahren der Herstellung von genetisch verändertem Raps zur Erstellung eines gentechnisch veränderten Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes führt. Dieses erforderte mehrere Nachfragen bei dem Unternehmen. Zudem hat das BVL im Rahmen seines unter 1. beschriebenen gesetzlichen Auftrages auch eine Beratungsfunktion, die regelmäßig zu Beratungskorrespondenz mit an Freisetzung von GVO interessierten, potentiellen Antragstellern führt. Diese kann, je nach Fragestellung, umfangreich sein.

3. Warum hatte das BVL den Raps als „Non GVO“ zugelassen, was dann ja wieder einkassiert werden musste?

Es ist hier zu beachten, dass der angesprochene Feststellungsbescheid vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu neuen molekularen Techniken ergangen ist. Dem lag die Interpretation des BVL zugrunde, dass die genetischen Veränderungen des Cibus Raps auch natürlicherweise spontan oder durch herkömmliche Züchtung entstehen konnten. Entsprechend der Definition eines GVO gemäß Artikel 1 der zugrundeliegenden Europäischen Gentechnikrichtlinie (Richtlinie 2001/18/EG) war daher der veränderte Raps nicht als GVO anzusehen. Die damalige Einschätzung des BVL entsprach der späteren rechtlichen Auslegung des Generalanwaltes des EuGH sowie auch der der britischen, finnischen und schwedischen zuständigen Behörden, die ebenfalls von Cibus kontaktiert worden waren. In Kenntnis einer anstehenden Grundsatzentscheidung war der Bescheid allerdings dahingehend bedingt, dass er seine Wirksamkeit verlieren sollte, soweit die Europäische Kommission zu einem abweichenden Ergebnis gelangen sollte. Der EuGH vertrat in seinem Urteil die Auffassung, dass nicht allein die GVO-Definition der Richtlinie zu beachten sei. Er war zusätzlich der Auffassung, dass Techniken, die zu genetischen Veränderungen führen, eine herkömmliche Anwendung in einer Reihe von Fällen aufweisen müsse einschließlich eines historisch sicheren Gebrauches, um genetisch veränderte Organismen von der Gentechnikregulierung auszunehmen. Da die meisten neuen molekularen Techniken der Mutagenese erst nach Inkrafttreten der Richtlinie entwickelt wurden, könnten solchermaßen hergestellte Organismen laut EuGH nicht von der Gentechnikregulierung ausgenommen werden, auch wenn die Änderungen natürlicherweise auftreten können. Darunter fiel auch das von Cibus entwickelte Verfahren. Andere Techniken der genetischen Veränderung werden jedoch von der Regulierung ausgenommen, wie z.B. die in der herkömmlichen Pflanzenzucht verwendete Mutagenese mittels radioaktiver Bestrahlung. Das BVL ist als Bundesoberbehörde an die gesetzlichen Vorgaben und die rechtliche Interpretation des EuGH gebunden. Entsprechend wurde nach Verkündung des Grundsatzurteiles des EuGH verfahren.

Zusatzfrage:

Nur kurz zur Präzisierung: In einem der unteren Punkte interessiert uns, warum das BVL Cibus bittet, klarzustellen, dass die untersuchten Linien keine GVOs sind, sondern „traditional breeding“. Ist das BVL auch der Ansicht, dass hier kein GVO vorliegt, obwohl ein gentechnisches Verfahren angewendet wurde?

Auf die Antwort der Frage 6 wird verwiesen.

4. Am 27.04.2021 schrieb das BVL an Cibus: “I would be very grateful to receive your short consent TODAY (we are informed that VLOG will start a new campaign by tomorrow).(…)”
Halten Sie es für die Aufgabe des BVL, Cibus über NGO-„Kampagnen“ zu informieren? Welche Kampagne war gemeint?

Das BVL ist die gemäß § 28b GenTG die zuständige Bundesoberbehörde für die amtliche Sammlung von Verfahren zur Probenahme und Untersuchung von Proben, die im Rahmen der Überwachung von gentechnischen Arbeiten, gentechnischen Anlagen, Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen und dem Inverkehrbringen durchgeführt oder angewendet werden. In dieser Funktion hat das für Gentechnik-Nachweisverfahren zuständige Referat des BVL 2019 Kontakt zur Firma Cibus US LLC aufgenommen. Dies war erforderlich, um Referenzmaterial für von diesem Unternehmen entwickelte Rapslinien zu erhalten, die mit Einsatz neuer genomischer Techniken (Genome-Editing) entwickelt worden sind.

Hersteller von gentechnisch veränderten Pflanzen sind in der Europäischen Union nur im Zuge der Antragsstellung für eine europäische Zulassung von GVO verpflichtet, Referenzmaterial verfügbar zu machen. Über diese Verpflichtung im Rahmen von Zulassungsverfahren in der EU hinaus gibt es keine rechtliche Handhabe dafür, dass ein Hersteller von in der EU nicht zugelassenen GVO aus Drittstaaten deutschen oder Kontrollbehörden der übrigen EU-Mitgliedstaaten Referenzmaterial und, soweit vorliegend, ein Nachweis- und Identifizierungsverfahren zur Verfügung stellen. Folglich beruht der Informationsaustausch mit einem Hersteller im Falle von in der EU nicht zugelassenen GVO derzeit im Wesentlichen auf Freiwilligkeit und seiner Kooperationsbereitschaft.

Das US Unternehmen Cibus hatte dem BVL für die angefragten Rapslinien im Jahr 2019 Referenz-materialien von Versuchslinien zur Verfügung gestellt. Die Verwendung des Materials sowie die Informationen zu den gentechnischen Veränderungen dieser Rapslinien unterliegen einer üblichen Vertraulichkeitsvereinbarung (MTA – Material Transfer Agreement). Jede Freigabe von Informationen bedarf daher einer schriftlichen Zustimmung.

Am 27. April 2021 stellte das BVL das Ergebnis der „Überprüfung und Beurteilung der am 07.09.2020 veröffentlichten Nachweismethode für bestimmte Rapslinien (Chhalliyil et al., Foods 2020)“ auf seiner Internetseite 1 ein. Im Vorfeld dazu waren Informationen aufgekommen, die eine Reaktion des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) erwarten ließen. VLOG hatte Arbeiten, die zu der Publikation von Chhalliyil et al. führten mitfinanziert. Hierauf wurde in der Korrespondenz zwischen dem BVL und dem Unternehmen Cibus Bezug genommen.

5. Anfang Sept. 2020 wies das BVL Cibus daraufhin, dass es ein Nachweisverfahren gab (Gemeint ist wohl das von J. Fagan), ist dies Ihrer Ansicht nach Aufgabe des BVL?

Anfang September 2020 erschien die oben genannte Veröffentlichung von Chhallilyil et al., 2020. Sie beschreibt ein Verfahren mit dem bestimmte Rapslinien des US Unternehmens Cibus nachzuweisen seien. Diese Veröffentlichung war unter anderem vom VLOG finanziert worden. Der VLOG als auch der Methodenentwickler (J. Fagan) wurden nach Erscheinen der Veröffentlichung vom BVL direkt kontaktiert und gebeten, die in der Veröffentlichung angegebenen Cibus Referenzmaterialien zur Verfügung zu stellen. Beide lehnten diese Bitte ab.

Mit Schreiben vom 07. September 2020 an Cibus wird auf die Veröffentlichung Chhallilyil et al., 2020, und die dort beschriebene Verwendung der Cibus-Rapslinien C1511, C5507 und 40K hingewiesen. In dem Schreiben bittet das BVL um Bereitstellung von Material von diesen Linien, um unter Verwendung der von Challilyil et al. genutzten Methode vergleichende Untersuchungen mit diesen und den Versuchslinien, für die das BVL bereits im Rahmen des MTA Material erhalten hatte, durchführen zu können.

6. Anfang Sept. 2020 fragte das BVL Cibus sinngemäß, ob man eine PM zum Nachweis-verfahren herausgeben könne und ermunterte Cibus selbst eine PM zu machen zu ihrem Verfahren, dass Cibus für „traditionelle Züchtung“ hält. Sehen Sie so etwas als Aufgabe des BVL?

In einer bereits im Jahr 2013 veröffentlichte Stellungnahme einer kanadischen Zulassungsbehörde (Canadian Food Inspection Agency) wird beschrieben, dass eine bestimmte Punktmutation in Rapslinien der Firma Cibus spontan und nicht durch neue Gentechnikverfahren entstanden ist. Das US Unternehmen Cibus hatte bei den kanadischen Behörden angegeben, dass eine spontane Mutation (somaklonale Variation) zur genetischen Veränderung geführt hatte und dass diese während des Gewebekulturprozesses auftrat, und nicht auf die Anwendung der neuen Gentechnik zurückgeht.

Es wurde in der angesprochenen Korrespondenz mit der Firma Cibus, in der es in der Hauptsache um die Bereitstellung und Informationen bezüglich der unter einer Vertraulichkeitsvereinbarung zur Verfügung gestellten Referenzmaterialien ging, unter anderem auch angeregt, dass es hilfreich sei, wenn das Unternehmen öffentlich klarstellen könnte, wie die Punktmutation in den vermarkten Rapslinien entstanden ist. Bei dem öffentlichen Diskurs zwischen Behörden und Verbänden hinsichtlich der Eignung des Chhallilyil et al.-Nachweisverfahrens ging es unter anderem auch um die Frage, ob die in den Cibus Rapslinien nachgewiesene Punktmutation das Ergebnis der Anwendung neuer Gentechnikverfahren sei oder nicht. Diese Information hat aus Sicht des BVL gegebenenfalls Auswirkungen auf die Gerichtsfestigkeit von Analyseergebnissen im Rahmen der Überwachung in der EU, die mit dem Chhallilyil et al.-Nachweisverfahren durchgeführt würden.

1 https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/06_Gentechnik/Ergebnisbericht_Ueberpr%C3%BCfung-und-Beurteilung-Nachweismethode-fuer-herbizidtoleranten-Raps.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Ausgabejahr 2021
Datum 13.09.2021

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